Zuul´s Charaktere und ihre Abenteuer
Lydia Dharrya Geisolem Truxta Congradin


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Die Gruppe

Im Kaolé 547 ergab es sich, daß eine Gruppe "alter Recken" zwischen 20 und 30 Jahren sich auf Abenteuersuche begab und Jagd auf eine Horde jugendlich-übermütiger Roter Drachen zu führen. Fünf Personen teilten sich gemeinsam Zelt und Feuer auf dem Weg zu dem Hort, der hoch in Schwarzberge sein sollte.

Zum einen war es die hinreißend schöne Dharrya , die die Gruppe mit ihren zarten Klängen von Gesang und Querflöte bei Laune halten und sie in den Stunden schwerer Not aufbauen konnte. Ja, sie hätte eine wirklich bekannte Bardin werden können, wenn das Schicksal es gewollte hätte, doch jetzt ergab sich ein viel glücklicheres Schicksal für sie. Sie würde in zwei bis drei Kirxi ein Kind von Geisolem zur Welt bringen und dann hätte das ewige Reisen bestimmt endlich ein Ende. Nur war es noch nicht sicher, wie ihr Kind aussehen würde. Würde es die dunkle Haut der Mutter oder die ebenmäßige Weiße des Vaters erben?

Geisolem , der wie Dharrya ein Mensch war, war einer der Druiden seiner Region und von großer Macht. Er hatte schon mehr als einmal das Amt einer Erzdruiden ausgeschlagen, weil dies für ihn das Ende seiner abenteuerlichen Reisen bedeutet hätte. Viel lieber war er mit seiner Frau und seinen beiden anderen Freunden unterwegs, um die Ausgeglichenheit der Welt zu wahren. Diesmal jedoch war ein Fremder bei der Gruppe, dessen Nase ihm überhaupt nicht paßte. Dieser rothaarige Teufel führte bestimmt etwas im Schilde.

Einer seiner geliebten Gefährten war ein Elf. Waldheim war sein Name, der mehr über ihn aussagte, als sein Äußeres. Der Wald war tatsächlich sein Heim. Darüber täuschten die prunkvoll gearbeiteten Stoffe mit den eingewebten Perlen hinweg, die ihn mehr wie einen Adeligen aussehen ließen, als ihn für einen Waldläufer zu halten, dessen Geschick mit dem Bogen auch heute noch viele hätte erblassen lassen. Was Robin Hood für die Erde darstellt, war höchstens einer seiner Schüler, die bei ihm viele Jahrzente in der Lehre waren. Und die Schüler zahlten gut! Nur so konnte man sich solch ein extravagantes Auftreten leisten.

Klompf paßte eigentlich gar nicht so recht in das Bild. Der Zwerg war jedoch einer der ältesten Freunde von Dharrya und Geisolem . Dieser abgebrochene Riese überzeugte nicht durch seinen Frohmut oder durch seine Stärke... Nein! Er war ein echter Griesgram, der seine Kunst der Illusionen am liebsten dafür benutze, um kleine Kinder zu erschrecken. Doch irgendwie war er doch ein Pfundskerl, nicht nur weil er mehr Umfang als Höhe besaß, mit dem man - im wahrsten sinne des Wortes - Pferde stehlen gehen konnte. So manches mal mußte die Gruppe schon Hals über Kopf aus einem Ort laufen, weil Klompf dabei erwischt wurde, wie er die Begriffe "Mein" und "Dein" stark überdehnt hatte.

Juggascz war der Name des Fremden in der Gruppe. Sein ketchuprotes Haar brachte schon einige Reisende in arges Erstaunen, aber auch seine magischen Künste waren erstaunlich. Man sah diesem hintergründigen schweigsamen Kerl einfach nicht an, was hinter seiner Stirn vorging. Seit zwölf Daoi schon war er mit ihnen gegangen, doch redete er nur selten ein Wort. Er beschränkte sich nur auf das Notdürftigste. Im Kampf, wahrlich, da hatte er der Gruppe in den vergangenen Tagen schon zwei Mal das Leben retten können, wenngleich er sich immer sehr lange mit seiner Hilfe zurückgehalten hatte. Er wußte, was er zu tun hatte, denn er war selbst einer der Roten Drachen. Er hatte sich in Gestalt eines Menschen an die Gruppe herangeschlichen, um sie in einen Hinterhalt locken und dort mit seinen Freunden töten zu können.

Am zwölften Tage also ergab es sich, daß die Gruppe an dem besagten Kamm im Schwarzgebirge ankam, doch von den Roten Drachen schien es keine Spur zu geben. Geisolem beschloß die Gestalt eines Panthers anzunehmen, um unerkannt vorausgehen zu können und die Gegend auszukundschaften, als alles sehr plötzlich geschah!

Der Odem von acht Roten Drachen flammte durch das Tal, noch bevor die Gruppe recht wußte, wie ihr geschah. Selbst Juggascz war überrascht und kam nicht mehr dazu, seine Drachengestalt anzunehmen, bevor sein menschlicher Körper verbrannt war. Klompf konnte sich noch im rechten Moment hinter einen günstig gelegenen Stein werfen und eine Illusion davon erzeugen, das sein Körper verbrannt auf dem Boden neben den Anderen lag, denn die guten Karten waren alle auf Seiten der Jungdrachen.

Einige Minuten später war alles ruhig. Die Drachen hatten ihr Werk vollendet, und Klompf konnte nur noch die Aschehaufen seiner vier Begleiter auf dem Steinboden erkennen. Was war das für ein deprimierender Anblick! Dagegen mußte doch etwas geschehen. Es gab doch Priester auf dieser Welt, die die Macht besitzen, Tote wieder in`s Leben zurückzuholen. Dharrya wollte doch noch ihr Kind auf die Welt bringen, einen süßen Kleinen Fratz, der "Onkel Klompf" zu ihm sagen würde, bei dem er es nicht über`s Herz bringen könnte ihn zu erschrecken. Alles das sollte nicht mehr wahr werden? "Nein!", sagte er laut. "Ich werde nicht rasten, bevor ich euch nicht das Leben zurückschenken konnte". So sammelte er die Aschehaufen ein, was sich als kleines Problem erwies, denn er hatte nur ein Behältnis, in dem er diese reinpacken konnte: seinen Rucksack. So wurde also kurzerhand die Asche von allen vier Begleitern zusammengemischt in dem Rucksack geschaufelt und damit der Abstieg begonnen.

Die Geburt

Erst acht Kaoléi später, im Jahre 555, fand er einen Priester, der bereit war, seine Freunde wieder zum Leben zu erwecken. "Es wird aber sehr schwierig", gestand er, "die Aschen Deiner Freunde sind nicht mehr trennbar miteinander vemischt. Ich hoffe, daß mir die Götter milde gestimmt sind und über diesen Makel hinwegsehen. Sie sind meist sehr kleinlich, weißt Du. Vier Personen erweckt man normalerweise nicht in einer einzigen Nacht. Wir werden bis Séokaolé warten müssen, dann sind die Kräfte des Lebens am stärksten und die Götter am willigsten". Wenige Daoi später befasste sich der Priester mit den Vorbereitungen für die Wiedererweckung. Er fastete fünf Daoi und betete zu seiner Gottheit, bis er tatsächlich einen Zauber gewährt bekam. Dieser war aber anders als andere Erweckungszauber, die er bisher gewährt bekam und gewirkt hatte. "Nun ja", dachte er sich, "es sind ja auch vier Personen, die in`s Leben zurückgerufen werden sollen", und führte seine Handlung durch. Er rührte die Asche mit dem Teig frisch zubereiteten Brotmehls zusammen, sprach die Heiligen Worte, sang den Gesang, der die Toten aus dem Reich Zuuls zurückrufen soll und dann geschah es...!

Aber es funktioniert nicht so, wie er gerne wollte...

Plötzlich stieben Funken aus der Masse, Feuer erfüllte die Luft und bildete in seinem Schein deutlich die letzte Szene vor dem Tode ab. Dharrya , wie sie plötzlich in Frühgeburtswehen fiel, Geisolem , der gerade in Panthergestalt gewechselt hatte, sich erschreckt zu ihr umschaute, Klompf , der sich mit wedelnden Armen hinter einen Stein schmiß, Waldheim , den der Feueratem förmlich zerriß und auch Juggascz bei seinem letzten Versuch in das Stadium eines Drachen zurückzukehren und dann kam die alles verzehrende Flammenwolke. Es stank nach verbranntem Fleisch und Rußpartikel stoben durch den Raum. Man hörte noch einen letzten verzweifelten Schrei der aus der tiefste Kehle einer Frau, eines Raubtieres und eines Drachen zu kommen schien. Nun folgte Stille...

Als der Rauch sich legte, war der gesamte Tempelraum erfüllt vom Ruß, der wie Regen heruntergekommen war aber auch von dem leisen Wimmern eines Kindes, welches schwarz vom Ruß in der Mitte des Raumes zu entdecken war. Zaghaft näherte sich der Priester der kleinen Gestalt. Oh, was hatten ihm die Götter für einen Streich gespielt! Dort lag ein kleines Menschenmädchen, doch verunstaltet durch den Schweif eines Raubtiers, der an den eines Panthers erinnerte. Er nahm das Kind und badete es im Heiligen Wasser, daß aus dem Berge herauffloß und mußte feststellen, daß das Kind noch schlimmer gezeichnet war, als er angenommen hatte: Die Haut war immer noch fast so dunkel wie der Ruß, der sich in der Nacht im Tempel niedergeschlagen hatte, doch was viel schlimmer war, war die Tatsache, daß an den Schultern bis zu den Armen herab, sowie den Rücken hinuter bis zum Po das Mädchen gar keine menschliche Haut besaß. Es waren blaßrosafarbene Schuppen, wie die eines Drachen!

"Herr", begann er am nächsten Morgen zu Klompf , "leider muß ich euch eine Ironie der Götter mitteilen. Eure Freunde leben und andererseite wieder nicht, doch anders als ihr denkt."

Klompf drängte sich an dem in der Tür stehenden Priester vorbei und in das Heiligste des Tempels hinein, um zu sehen, was dieser Priester da vor ihm zu verheimlichen versuchte. Und dann sah er sie! Ihm schossen die Tränen in die Augen, aber mehr aus Wut und Verzweifelung darüber, daß nicht seine Freunde das Licht der Welt erblickt hatten. Nein, es war diese Mißgeburt, halb Mensch halb Tier, wie aus den schlimmsten Flüchen der alten Sagen.

Einen Tag, viele Liter Met, eine durchzechte Nacht und einen schweren Kopf später kam Klompf erneut zu dem Tempel. Er entschuldigte sich bei dem Priester für sein gestriges Aufführen, er solle doch dem Kind noch den Segen seiner Gottheit aussprechen und ihr den Namen underlineLydia Dharrya Geisolem Truxta Congradín geben, denn sie sei bestimmt das ungeborene Kind von Dharrya und Geisolem Truxta, denn so wollte er den Namen ihrer Eltern bewahren, doch solle sie als seine Tochter aufwachsen. Der Priester tat wie ihm geheißen, doch nicht bevor er Klompf ein wundersames Gemälde auf dem Boden der Kapelle zeigte. Dort waren in einem Kreis die Gesichter seiner Freunde, wobei das von Geisolem immer noch ein Pantherkopf und Juggascz als Schädel der gehaßten roten Drachen dargestellt waren.

Die Kindheit

5 Kaoléi später konnte Lydia schon ihre ersten Worte Lesen und Schreiben, und was für ein neckischen Gesichtsausdruck sie hatte. Sie würde bestimmt einmal eine hübsche Frau werden, dachte Klompf . Wenn doch nur nicht diese Mißbildungen gewesen wären. Zu allem Überfluß waren ihr beim Sprießen der Zähne die oberen und unteren Eckzähne wie kleine Reíßzähne herausgewachsen. Welcher Mann sollte denn jemals ein solches Geschöpf, egal wie hübsch sie wird, haben wollen?

Er nahm sich daher vor, ihr alles beizubringen, was er über die Zusammenhänge der Magie wußte, damit sie vielleicht irgendwann einmal die Mauer der Illusionen durchbrechen und eine Macht erforschen könnte, um ihre Mißbildungen zurückgehen zu lassen. Doch noch in diesem Winter erlag er einer schweren Lungenentzündung. Das Schicksal Lydias schien es nun aber doch gut mit ihr zu meinen, denn ein alternder Druide fand das junge Mädchen, dessen schwarzes Haar aus dem Schnee ervorstach, kurz bevor es selbst an der tückischen Krankheit ums Leben kam. Er nahm sie mit sich in sein Heim, eine Lehmhütte in der Tiefe des Dunkelwaldes, wo er sie in den nächsten Wochen aufpäppelte.

Zum Séokaolé des Jahres entschloß er sich, diesem Mädchen sein Wissen der druidischen Lebensweise zu unterrichten. Sie sollte eine der wenigen Druidinnen der Region werden.

Leider hatte das Schicksal die Karten auch hier mit einem schwarzen Peter versehen, der gezogen wurde, als sie mit 13 Jahren unbekleidet in dem See baden war. Verstohlen, aus einem Gebüsch heraus, wurde sie beobachtet. Ein Zirkus, der sich auf der Durchreise befand, hatte unlägst des großen Waldes sein Lager aufgeschlagen, und einer der Gaukler sollte eine Mutprobe durchstehen, indem er allein in den Dunkelwald ging und dort einen Tag und eine Nacht blieb. Griswald hatte schon die Hälfte des Tages in diesem dunklen unheilvollen Wald zugebracht, um den sich so viele Geschichten rankten, und bisher war nichts passiert. Doch gegen mittag schien ein Waldgeist durch den Wald zu tanzen, ein Mensch, der mehr Tier zu sein schien. Ein junges Mädchen, soweit er es beurteilen konnte, denn auf ihrem Haupt und ihrem Rücken wuchs eine unbändige Mähne schwarzen Haares, welches im Sonnenlicht einen roten Glanz hatte, welcher aber auch von den Schuppen auf Armen, Schultern und Rücken herbeigeführt sein konnte. Außerdem besaß sie einen Schweif, der sie in ihrer Art nur tiergleicher erscheinen ließ. Doch das wichtigste was er sah, war die Attraktion, die dieses Mädchen darstellen konnte, wenn er sie einfing. Ja, er würde sie als die "Pantherfrau" ankündigen, und ihren Körper den Schaulustigen darbieten, wie andere dies mit seltenen Tieren taten.

So kam es, daß Lydia, noch bevor sie ihre Ausbildung komplett beendet hatte, entführt wurde. Der Druide, der sich dagegen auflehnte, weil er wußte wer Lydia in Besitz genommen hatte, es jedoch nicht beweisen konnte, wurde wenige Tage später im Schlaf erdolcht. Und so wußte kein Mensch mehr von der Herkunft Lydias, außer sie selbst.

Die Bestie

Nun brach eine schwere Zeit für mich, Lydia, an. Ich wurde in einen Käfig von 2 Metern Länge, Breite und Höhe, dessen Boden mit altem muffigen Stroh ausgelegt war, gesteckt. Zu einer Seite grenzte der Käfig an einen weiteren, in dem ein eingefangener Tiger, der bemitleidenswert krank aussah, mürrisch seine Runden zog. Wir beide hatten einen gemeinsamen Napf in der Mitte des Käfigs, in dem brackig riechendes Wasser stand, das selbst von dem Tier nur mit Widerwillen getrunken wurde. Kleidung wurde mir keine zugestanden. "Hör zu, Mädchen!", warnte mich ein von gebranntem Wein widerlich stinkender dicker Kerl, der sich selbst Raubtierdompteur nannte, "Du gehörst jetzt mir. Und ich will nicht sehen, daß Du auch nur ein Wort sprichst! Hast Du verstanden? Wir werden viel Geld an Dir verdienen. Die Leute zahlen gut und viel, weil sie Mißgeburten wie Dich sehen wollen. Und Du sollst ihnen nicht den Spaß daran verderben, in Dir nur ein schäbiges kleines Tier zu sehen, eine Laune der Natur, die Dich mit scheinbar mit einem hübschen Mädchen gekreuzt hat. Und solltest Du jemals mit einem Menschen sprechen, so wirst Du dies spüren...". Mit diesen Worten öffnete er den Käfig und gab mir solange Hiebe mit einer Peitsche, bis ich ohnmächtig zu Boden gesunken war.

Nun war ich in diesem kleinen Kerker gefangen, Tag um Tag kamen erst eine handvoll, dann dutzende und später sogar hunderte von Menschen in "mein" Zelt. Alle wollten sie die "´Pantherfrau" sehen. Jenes hinreißend schöne Wesen, das die Natur in einem menschlichen Körper verpackt hatte, jedoch ihr keine Seele mitgegeben zu haben schien. Der Bändiger wurde täglich aufdringlicher, verlangte von mir, ich solle wie eine Raubkatze brüllen und fauchen, wenn die Menschen kamen um mich zu sehen. Das tat ich auch, aber nur um dieser Peitsche zu entgehen. Ja, ich habe sie regelrecht gefürchtet. Diesen Schmerz auf der Haut und dann die noch härtere Strafen, wenn meine Ungestühmtheit mit mir ausbrach und ich mich wehrte, ohne auch nur noch zu wissen, was ich tat. Eines Tages begann er sogar, mich an reiche Männer zu verkaufen, die Gefallen an meinem Körper hatten. Dem Ersten hatte ich es gezeigt! Wie die Wildkatze, die er in mir sah, hatte ich mich gesträubt und ihm beide Augen ausgekratzt, doch das wurde mir schwer heimgezahlt. Ich bekam eine Woche lang nichts mehr zu fressen. Anders kann man dies nicht bezeichnen, denn ich erhielt das Gleiche, wie die anderen Raubtiere: rohes Fleisch. Bei den Nächsten wehrte ich mich noch, doch nach den ersten oder zweiten Dutzend war ich teilnahmslos geworden. Ich hatte mich schon darauf eingestellt, vielleicht nie wieder hier wegzukommen. Mein Widerstand schien gebrochen.

Gebrochen? Nein, nicht ganz. Ich hatte bereits einen Freund unter diesem stinkenden abscheulichem Gesindel gefunden. Es war in der ersten oder zweiten Kirx, als ich ihn sah, und es schlug bei mir wie ein Blitz ein. Vorher wußte ich nie, was Vater damit gemeint hatte, als er von einem unsichtbaren Band zwischen Mann und Frau sprach, doch in diesem Moment schien mir alles klar zu sein. Nach einigen Wochen ließ er mich Nachts aus dem Käfig heraus. Ja, ich glaube auch ihn hatte das unsichtbare Band an mich gefesselt. Sczobar war der Einzige, in dessen Armen meine Trostlosigkeit schwinden konnte. Um mich zu trösten schulte er mich in den Dingen, die er zuvor selbst am Tage gelernt hatte. Er zeigte mir das Jonglieren und Balancieren auf dem Seil, doch wollte er mir nicht die Tricks vom Feuerspucken zeigen, weil es doch in der Dunkelheit zu sehr auffiel. Er war es auch, der mir in den fünf schweren Tagen Brotreste in meinen Käfig warf, wenn sein Vater gerade nicht darauf achtete. Das Schlimmste für mich war die Tatsache, daß sein Vater der Tierbändiger war.

Die Flucht

Kaloéi später, ich war mittlerweile 17 Jahre alt geworden, bat ich Sczobar mir endlich Feuerspucken beizubringen: "Ich habe Dich tagsüber beobachtet, wie Du die Leute damit ermuntern kannst. Du brauchst Dich nicht zur Bestie machen, damit Dir die Menschen zusehen. du kannst sie mit Deinem Charme unterhalten. Das möchte ich jetzt auch lernen, sonst will ich nicht mehr mit Dir sprechen!"

Nach einer Kirx des gegenseitigen Anschweigens hatte ich ihn endlich weichgekocht und meine Wille wurde von Tag zu Tag immer stärker. Ich wollte hier raus! Ich hatte dies Sczobar schon gesagt, aber er schob immer seinen Vater vor. Er könnte mich doch nicht zur Frau nehmen um mich hier herauszuholen. Er würde mich doch lieben, aber es ginge einfach nicht. Irgendwann hörte ich auf zu fragen. Meine Liebe starb mit jedem Tai'a, der verging, immer weiter ab. Irgendwann war er für mich nur noch nützlich. Ich hatte mir schon einen Plan zurechtgelegt. Mir war der Gedanke drei Tai'a vorher gekommen, als ein Brand an einem der Zelte ausbrach. Als erstes wurden die Tiere in Sicherheit gebracht und dann mit dem Löschen begonnen. Ich wollte ebenfalls aus dem Käfig, selbst wenn ich mittlerweile sogar schon meinen eigenen Käfig hatte, der 3 Meter breit und 6 Meter lang war, jedoch immer noch mit dem stinkenden Stroh, das alle 2 Tai'ai gewechselt wurde, belegt war. Und um dies zu bewerkstelligen hatte ich mir etwas überlegt.

Feuerspucken wurde mit einem leicht entzündlichen Öl durchgeführt. In "meinem Zelt" stand jeden abend noch eine Kerze, die noch wenige Minuten ausbrannte, nachdem ich alleingelassen wurde. Ich müßte nur genügend von dieser Flüssigkeit sammeln und sie dann gekonnt über die Kerzenflamme spucken können, um das Zelt in Brand zu setzen. Ja, es war ein gefährlicher Gedanke. Wenn nicht entdeckt würde, daß es bei mir brennt, dann würde ich wahrscheinlich bei lebendigem Leibe verbrennen. Doch das Risiko wollte ich auf mich nehmen. Entweder in Freiheit leben oder sterben!

Immer dann, wenn Sczobar nicht darauf achtete, zweigte ich ein paar Tropfen der Flüssigkeit ab. Es dauerte noch einige Daoi, bis ich genügend zusammen hatte, und dann war endlich der Abend da, nach dem ich so lange sehnte. Zwei mal konnte ich mit dem Öl spucken. Beim ersten Mal wollte ich das Zelt gleich brennen sehen, doch kam die flüssige Wolke erst gar nicht bis zu Kerze. Ich war verzweifelt, nahm den zweiten Schluck, nur etwa halb so viel wie der Erste, in den Mund und spie aus tiefster Seele heraus, doch nicht das Öl war es, das den Brand verursachte. Ich selbst war es. Aus meinem Mund heraus schlugen die Flammen, schmolzen des restliche Wachs dahin und brannten die Zeltplane hinfort! Welch eine Kraft war hinter diesem Atem! Doch wie war mir jetzt? Mir schwindelte, ich war zu erschöpft, als mich in der nächsten Minute jemand aus dem Käfig zerrte. Ich wurde aus dem Zelt gebracht und konnte mich nicht losreißen. Mir fehlte einfach die Kraft dazu. Und dann sah ich, wer mich herausgeholt hatte: Sczobar!

Mein Herz schlug höher. Sollte er mich so sehr lieben, daß er mit mir alles hinter sich ließe? In mir flammte die Leidenschaft erneut auf, ich küßte ihn, schmiegte mich an seine starke Brust, hörte seinen schweren Atem, bis ich jäh bemerkte, daß er mich nicht von den Zelten weg, sondern zum Hauptzelt trug! Nun kam der Haß wie eine Woge über mich, und als ich nach einer Zeit wieder im Wald zu mir selbst fand, schmeckte ich noch das frische Blut auf meinen Lippen...

Die Freiheit

"Sczobar!!!". Ich schrie es mit aller Verzweiflung und Schmerz in der Brust hinaus, denn ich ahnte und wußte die Wahrheit. Ich hatte in einem meiner unbeherrschten Anfälle den einzigen Menschen ermordet, der mir niemals etwas Schlimmes antun wollte. Er hatte doch immer nur unter dem Schatten seines Vaters gelebt und ebensoviel Angst vor ihm gehabt, wie ich. Oh, wie ich meinen Körper verfluchte! Diese Mißgeburt! Ja, das bin ich wirklich. Eine Mißgeburt. Hätten die Götter mich doch niemals so gestraft, sondern mir einfach das Leben entsagt. Nichts wünschte ich mir jetzt sehnlicher, doch auch diesen Wunsch versagten sie mir.

Nun lebte ich fast ein Jahr im Wald, ernährte mich von allem, was ich fand, seien es Beeren oder die fleischigen Überreste des Festschmauses eines Raubtieres, und so manches bekam mir und anderes wieder nicht. In der Zeit befanden wir uns glücklicherweise nahe dem Dunkelwald (nur ca. 20 Tagesreisen zu Fuß südlich), und ich fand dort die alte Hütte. Die Feen hatten bereits den Kadaver meines Vaters entfernt, und die Hütte war sogar rein, als ich dort ankam. Sie mußten gewußt haben, daß ich kam. Ja, der Wald hatte viele Augen, und die Feen hatten sogar dafür gesorgt, daß ich nicht in ein Dreckloch kam. Sie waren sehr nett zu mir, auch wenn ich sie niemals zu Gesicht bekam. Zum ersten Mal glaubte ich an das, was in den Legenden der SczinT'a gesagt wird: "Die Kinder, die aus der Verbindung mit einem Drachen in das Leben kommen, sind Glückskinder.", doch irgendwie zweifelte ich gleichzeitig an diesen Worten. Meine Eltern lebten nicht mehr, meine Ziehväter (an den ersten kann ich mich nur noch sehr dunkel erinnern) lebten nicht mehr. Ist das etwa ein Glückskind? Dennoch erreichte ich eine Beendigung meiner druidischen Kenntnisse, denn das Meiste hatte ich schon gelernt und es fehlte nur noch an weniger Theorie.

Vor zwei Kaoléi stellte ich fest, daß die Einsamkeit auch nicht das war, was ich mir vorgstellt hatte. Ich war mittlerweile 18 Kaoléi alt, und zur Frau gereift. Die schrecklichen Ereignisse hatte ich schon zu einem großen Teil aus meinem Inneren verdrängt, doch Nacht für Nacht kamen die Erinnerungen zurück. Dann, an dem Abend vor Séokaolé, stellte ich mir die Frage: "Was tue ich eigentlich hier? Ich lebe im Wald, wohne nicht in dem Haus, das dort steht, sondern schlafe im Freien, trage keine Kleidung und bin schmutziger als alle anderen Tiere des Waldes, schäbiger als die Aasfresser, die sich nur an frisches Aas heranwagen. Bin ich nicht das, was sie mir immer einreden wollten? Ein Tier!?"

Ich badete mich im See und schaute meinen Körper vor dem alten kupfernen Spiegel in Vaters Haus an:

Dort stand eine Frau mit dunkler Haut, Reißzähnen in ihrem zart geschnittenen Gesicht, mähnenhaftem schwarzen Haar, das an einigen Stellen rot glänzte und den Rücken bis zum Ansatz des Schweifs aus dem Körper entlang sproß, mit roten Schuppen auf Schultern, Oberarmen und dem Rücken, teils verdeckt durch das Haar, aber mit menschlichen Proportionen, die zu haben sich manch eine Frau wünschte.
War es nicht vielleicht doch mehr ein Mensch, der mich dort anblickte? Ich versuchte mein Haar in Ordnung zu bringen, was nur annähernd gelang, denn 120cm Haupthaarlänge sind nur schwer zu bändigen, wenn man die Naturlocken der Mutter geerbt hatte, doch irgendwie wirkte ich menschlicher. Ich versuchte meine Zähne weniger zu zeigen. Das war noch recht einfach, doch der Körper gehörte in Kleidung. Würde ich nicht für die Menschen so lange ein Tier bleiben, wie ich nackt durch ihre Reihen liefe?

Warum dachte ich da bloß wieder an andere Leute? Sie hatten mich doch mit ihren bohrenden Blicken gequält. Ich hatte die Leute hassen gelernt, die nicht weit genug vorn stehen konnten um das schöne Biest zu sehen, oder noch mehr diejenigen, die bereit waren 100 Goldmünzen aufzuopfern, damit der Domptuer das "Monster" bändigte, um dem Reichen sich an diesem Tier zu vergehen zu ermöglichen. Obwohl dies alles mit flammenden Buchstaben wieder vor meinen Augen stand, war mein Entschluß gefaßt! Ich mußte wieder unter andere kommen. Die Einsamkeit nagte bereits an mir. Und ich wollte nicht unterwürfig sondern ebenbürtig unter die Menschen treten.

Die Rückkehr zu den Menschen

Wenige Nächte später kam ich durch einen kleinen Ort, wo ich mir ein auf der Wäscheleine vergessenes Kleid stahl. Es war schlicht und grün. Ich nahm mir vor, daß dies fürderhin meine Kleidung sein sollte. Schlichte Kleider in einer grünen Farbe, wie das Blattwerk der Bäume im Frühling oder das Gras, daß zu meinen Füßen wuchs, sollten es sein. Nun versuchte ich in der nächsten Stadt, die ich fand, Geld durch die erlernten Kunststücke zu verdienen, doch waren die Zeiten schlecht, und die Leute hatten nur wenig Geld für eine Gauklerin übrig. Ja, für eine Hure wurde mehr gezahlt. So zahlte mir ein Reisender in dieser Nacht 20 Goldmünzen für meine Dienste, welche nicht für lange vorhielten, denn das Stadtleben ist teuer, und so stand ich bald jede zweite bis dritte Nacht in den Gassen, die nur unter vorgehaltenen Händen erwähnt wurden, und diesmal meinte das Schicksal es besser mit mir. Ich lernte nach kurzer Zeit Persiphilee kennen.

Er kam eines Nachts, und zahlte mir 100 Goldmünzen für meine Dienste. In meinem Zimmer, das ich mir von dem verdienten Geld leisten konnte, wollte ich gerade damit beginnen, ihn zu verwöhnen, als er müde und traurig abwinkte. "Spar Deine Kraft, heute Nacht.", sagte er zu mir, "Ich habe Dich zwischen den Anderen stehen sehen, und irgendwie scheinst Du nicht zu ihnen zu gehören, Mädchen."

"Lydia heiße ich, Herr ..."

"Persiphilee. Nun, wo war ich gerade? Ach ja. Du scheinst zu anderen Dingen als diesen hier geboren zu sein. Man sieht es Dir irgendwie an. Die bist anders als die anderen Menschen."

Niedergeschlagen senkte ich den Blick, denn ich glaubte, er würde jetzt sagen, ich sei eine Mißgeburt, und er wolle sein Geld zurückhaben, weil er mit so etwas nicht ins Bett gehen könnte, doch ich lag falsch.

"Schau, Mädchen dots Lydia. Ich bin mit meinen Freunden auf der Reise. Wir kämpfen für die Gerechtigkeit wo wir nur können. Nicht überall wird uns dies gedankt, und mancherorts gelten wir als Landstreicher, doch wir sahen schon Schätze, die man sich kaum vorstellen kann. Ich habe gerade meinen besten Freund verloren. Er wurde in die Tiefen eines Flusses gerissen, dessen Lauf über den Wolken beginnt und endet, doch haben wir seine Leiche nicht mehr wiedergefunden. Ich bin in Trauer um ihn, und dann sah ich Dich dort stehen. Dein grünes langes Kleid unter den anderen kurzen offenbusigen Gewändern. Das paßte nicht in´s Bild. Deshalb möchte ich Dich fragen: Willst Du weiter dieses Leben führen oder bist Du bereit, daß aus Dir etwas besonderes wird?"

Wir redeten noch die ganze Nacht, bis weit nach Sonnenaufgang über fremde Völker, fremde Gegenden und gefährliche Erlebnisse, doch tief in meinem Inneren wußte ich, daß ich dazu geboren war mit in die Welt hinaus zu ziehen. Das war doch genau das, was ich wollte: Freiheit!

Ich wurde seinen Freunden vorgestellt: Persiphilee war ein Priester einer bestimmten Gottheit, dessen Namen ich mir nie eingeprägt hatte, denn das Leben besteht aus mehr als nur diesem einen Gott, wenngleich er auch mit einem gewissen Maß an Heilkraft gesegnet war, die aber bei seinem Gefährten nichts genutzt hatte. Ptersolee war eine Elfin oder verstand sich auf das Zaubern tödlichster Dinge. Ich hatte sie oft gefragt, ob es nicht auch manchmal weniger brutal ginge, ob sie nicht einfach mal einen Gegner von uns leben lassen konnte, doch das ignorierte sie vehement und war um so grausamer gegenüber dem Nächsten, dem wir begegneten. Ich habe es aufgegeben, sie zu einem besseren "Menschen" machen zu wollen.

Dann war in den ersten Monaten noch Mordenkain bei uns. Er ist ein verschrobener älterer Mann, dem es anscheinend noch mehr Freude macht, die Gleichgewichte der Natur durcheinanderzuwirbeln. Er schien über ein großes Machtpotential zu verfügen, das er aber scheinbar niemals voll ausgeschöpft hat. Er verließ eines Abends unser Feuer mit den Worten "Ich liebe euch alle, doch ich muß nach neuen Schülern sehen.".

Dann war da noch der Wikinger Rangari von der Westküste, über dessen Intelligenz ich mich eines Kommentares lieber enthalte. Sympatisch wurde mir Sinja Xao Labib, eine Kämpferin aus den Tiefen des Kontinentes Vergas, die immer neue Geschichten von immer neuen seltsamen Dingen abends am Lagerfeuer erzählte wovon ich - ehrlich gesagt - nicht annähernd die Hälfte glaube.

Das aktuelle Geschehen

Mittlerweile bin ich 20 Kaoléi alt, und werde schon bald 21. Meine Erfahrungen sind reicher, meine Geldbörse leider nicht.

Ptersolee und Persiphilee hatten zueinander gefunden und träumten von einer gemeinsamen Zukunft, wenn sie erst genügend Gold zusammenhatten, daß sie sich ein Haus in der Stadt bauen könnten um dann ihre fünf bis acht Kinder durch die Gärten laufen zu sehen. Etwas weniger sahen es Rangari und Sinja. Die beiden waren wie turtelnde Messerwerfer, die sich von einem Moment zum anderen zerfleischen wollten und dann wieder versöhnten. Doch die Träume aller waren vor 5 Daoi wie Wolken am Himmel zerstoben worden.

Diebe hatten uns vor 5 Daoi beinahe alles gestohlen, was wir besaßen, und nur noch die wichtigsten Dinge hatten wir bei uns, als uns kurz darauf noch eine Gruppe Wölfe einkreiste und anfiel. Ptersolee kam nicht mehr zum zaubern, sie war innerhalb weniger Minuten tot, und wir waren auf die uns gebliebenen Waffen gestellt. Auf beiden Seiten floß Blut, und als ich erwachte, war der Kampf bereits vorbei und meine Freunde waren weg. Sie waren verschleppt worden, doch warum wurde ich es nicht? Ich weiß es nicht. Vielleicht war ich nicht menschlich genug, daß sie in mir Futter sahen, denn immerhin ist mein Kleid nur noch ein Haufen Fetzen am Leibe.

Ich stehe auf, um meine Habseligkeiten einzusammeln, da wird mir wieder schwarz vor Augen ...

(Anmerkungen: Daoi, Taiái und Kaoléi sind die Mehrzahl von Dao, Taiá und Kaolé.)


top   15.08.1997 by Zuul