Zuul´s Charaktere und ihre Abenteuer
Maraka de Sczalharr


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Ein Mädchen, zierlicher als eine Elfin, blasser als die Wand, aber dennoch von einem angenehmen Äußeren sitzt mit versonnenem Gesichtsausdruck auf einer Waldlichtung. Vor ihr kocht das Wasser in dem kleinen eisernen Topf, und der Geruch frischen Kohl erfüllt die Luft. Neben ihr steht eine hohe Windstelze und knabbert genüßlich an den frischen Trieben hoch oben in den Bäumen. Wenige Habseligkeiten liegen unausgepackt in den zwei Satteltaschen vor dem winzigen Zelt im Hintergrund. Eine Musik, zart wie der Schlag eines Schmetterlings, erklingt aus der zweigerohrten Flöte, die dieses Mädchen spielt, als sich ein kleiner bunter Vogel in das Gras setzt.

Sie unterbricht ihre Melodie. 

"Hallo kleiner Freund", sagt behutsam ihre zarte aber dennoch ausdrucksstarke Stimme mit einem Akzent, der ihre Fremdartigkeit noch unterstreicht. "Willst Du meine Geschichte hören?"

Und, als ob dieses kleine gefiederte Wesen verstünde, was das Mädchen will, sitzt er weiter im Gras, während sie mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck ihre Geschichte zu erzählen beginnt.

"Weißt Du, kleine Sturmfeder, Du bist so frei und ungebunden. Du hast nicht unter den Zwängen zu leiden, die mich beinahe für immer gefangen hätten. Und dabei war ich so glücklich.

Mein Vater liebte meine Mutter genauso sehr wie meine Erstmutter, und diese ganze Liebe habe ich von ihr erhalten. Es hätte kaum schöner sein können. Wie oft haben wir Kinder im Wald und am Fluß gespielt, als wir noch jung waren, doch irgendeines Daoes hatten sich die ersten Knoten des Netzes gesponnen, dem ich gerade noch entschlüpfen konnte. Bestimmt wird Vater böse über mich sein, doch er wird mich bestimmt bald vergessen haben. Zu ihm kam sie denn auch an diesem erwähnten Dao, und offenbarte ihm, daß mich ein besonderes Schicksal erwarten würde. Ich solle im Lesen der alten weisen Bücher unterwiesen werden, denn dann würde ich ein besonderes Schicksal erkennen können. Ich würde als Tochter einer Viertfrau tatsächlich selbst einmal Erstfrau für meinen zukünftigen Mann werden können. Wie gebannt lauschte ich an der Tür und wußte in meiner kindlichen Naivität noch nicht einmal, was sie dort entschieden. Die Lehre, so sagte sie, wolle sie aber persönlich übernehmen.

Kannst Du Dir eigentlich vorstellen, was das heißt? Eine unvorstellbare Ehre sollte dies für meinen Vater sein! Ich sollte vom Orakel selbst ausgebildet werden! Sie, die große Weissagerin wollte mich zur Israkin, der Sprechenden, unserer Provinz machen. Doch meine Störrigkeit brachte das Orakel zur Verzweifelung. Ich wehrte mich mit aller Kraft dagegen, mit ihr zu gehen, wollte ich doch nicht von zu Hause fort, wie es wohl jedem Mädchen in meinem Alter gegangen wäre. Erstmutter fand fruchtbaren Boden in meinem Verhalten und redete auf meinen Vater ein, wie ich er später erfuhr, daß ich doch aufgrund meines störrigen Benehmens nicht zum Orakel gegeben werden dürfte. Sie würden sich doch nur zu Gespött machen, wenn ich dumm von ihr zurückkehrte.

So wurde angeordnet, daß ich zumindest zur Hascznar, der Lesenden, gebildet werde. Ich sollte die Aufgabe bekommen, von den vergangenen Geschichten, die Gebilden der Phantasie, von den Märchen lesen zu dürfen. Jedes Kind an meiner Stelle wäre ebenfalls sofort begeistert gewesen. Es war immer ein großes Ereignis für uns Kleinen, wenn die Hascznari kamen und ihre Märchen vortrugen. Und plötzlich erschloß sich mir das ganze Feld aller Bücher dieser wunderschönen Welten. Ich durfte sie alle lesen!

Es vergingen eigentlich nur zwei Kaolei, da hatte ich bereits die wenigen Bücher gelesen, die wirklich interessant waren, Längst war der Reiz dieses Gebietes verloren gegangen. Mein Bruder dritter Mutter, der schon 7 Kaolei älter war als, war inzwischen von dem Tempel des Kairan zurückgekehrt. Er konnte wundersame Dinge vorführen, und ich bettelte und quengelte meinem Vater solange etwas vor, bis er mich dann entgegen dem Willen von Erstmutter zum Tempel gehen ließ. Ich solle mir das ganze mal ein zwei Kirxi lang ansehen, hieß es. Das war, als ich 5 Jahre alt war.

Mit 12 Jahren erhielt ich dann meine Novizenweihe, als die Zeit der Schweigens vorbei war, und ich war von Kairan erleuchtet worden. Ich war in Geheimnisse eingeweiht worden, die ich selbst nur als Märchen abgetan hätte. Kairan erweckte meinen Geist für Kräfte, die bei uns in der Stadt nie zur Schau gestellt wurden Allerdings schien mir alles immer noch so leer. Wenn es diese märchenhaften Kräfte tatsächlich gab, dann gab es doch bestimmt auch das Tal Immergrün (s. hier)? Dieser Gedanke verfolgte mich für ein paar Tage, doch dann war er auch wieder verschwunden.

Ein Kaole später starb Mutter. Erstmutter hatte nun keine Gegenrede mehr bei meinem Vater, und so holten sich mich zurück. Es wurde meine Hochzeit mit Aldan de Vhaulguin aus der östlichen Provinz besprochen. Meine Gefühle waren zu dem Zeitpunkt sehr gemischt, obgleich ich ihn schon in Kinderjahren getroffen hatte und wir eine geistige Einkunft besaßen. Aber das Orakel würde doch noch recht behalten! Ich würde seine Erstfrau. Dann hatte mir Erstmutter nichts mehr zu sagen. Ich könnte für mich selbst entscheiden.

Allerdings erreichte uns alsbald die Nachricht darüber, daß Prinz Aldan krank geworden war. Wir sollten uns gedulden, bis er wieder gesundet sei. Zwei ganze Taiai kam es zu keiner Nachricht aus dem Osten, bis dann eines Morgens ein Bote auf seiner Windkralle ankam. Du kennst die Windkrallen nicht? Stell Dir vor, kleines Federbündel, Du wärst zehn mal so hoch, zehn mal so breit, zwanzig mal so lang und trügst Schuppen anstelle Deines weichen Gefieders, dann weißt Du was eine Windkralle ist. Der Bote teilte meinen Eltern mit, daß Prinz Aldan nun wohlauf sei, und gewillt ist, die Prinzessen Maraka in seine Ehe aufzunehmen.

Ich selbst begriff diese höfischen Floskeln nicht, da ich zu lange nicht in der Stadt verweilt hatte, aber die Entrüstung meines Vaters brachte schnellen Aufschluß darüber, was gemeint war. Aldan hatte sich bereits eine Frau genommen. Ich würde also niemals seine Erstfrau werden, sondern seine Zweitfrau sein, wenn es zu dieser Heirat kam. Diese kleine Hure, die sich in sein Zimmer gestohlen hatte, als die Krankheit jeden Besuch unmöglich hätte machen sollen, hatte ihm beigewohnt und er hatte sie zur Erstfrau genommen, während ihre miesen kleinen Bälger schon in ihrem Bauch schmorten. Soll sie in die Tiefen Zuuls fahren!

Und dennoch waren meine Eltern vollauf damit beschäftigt, dem Boten Nachricht kundzutun, daß ich bereit sei, und in wenigen Tagen mit meinem Gefolge zu ihm reisen sollte. Das war einfach zu viel Schmach für mich. In dieser Nacht noch packte ich meine nötigsten Sachen. Ich hatte das ein oder andere Kleid eingepackt, ein paar Hartbrote, wie sie die Boten mitnahmen, so wie eine warme Decke, meinen Schmuck, die Flöte meiner Mutter, mein altes Kinderzelt und noch ein paar Dinge, die mir wichtig vorkamen, denn ich hatte meinen Brüdern oft genug über die Schultern geschaut, was sie so alles mitnahmen, wenn sie ein paar Tage verreisen mußten.

Mit diesen Sachen ging ich nun in den Stall und sattelte meinen Freund Rascznatas und flüchtete vor meiner ganzen Heimat. Niemanden hatte ich eine Nachricht hinterlassen. Sollten sie sich doch alle Sorgen machen, wenn ich nicht wieder zurückkehrte. Für mich hieß es nur noch fort von dem Ort des Unbehagens.

Nach zwei Daoi war mir dann bereits das Essen ausgegangen, was ein sicheres Zeichen dafür war, daß ich doch nicht an alles gedacht hatte. So irrte ich denn mit knurrendem Magen durch die Gegend und ritt mit Schleiern der Übelkeit vor Augen, bis mir alles vor Augen grün erschien. Als ich meine Augen weit öffnete, stellte ich fest, daß wirklich alles grün war. Die Sonne erfüllte diesen Morgen tatsächlich mit einem grünen Licht.

Sollte es wahrhaftig sein? Mein alter kindlicher Traum war neu geboren worden. Gab es das Tal Immergrün tatsächlich? Halb betäubt von dem Hunger trat ich auf die große Lichtung und vor mir erhoben sich die grünen Mauern der Stätte des arkaden Wissens! Tatsächlich, es war Immergrün.

Zaghaft klopfte ich an das Tor, und ein Augenpaar musterte mich eindringlich. Ich war zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr ganz Kind, und so schämte ich mich fast für meinen Aufzug. Es kam mir so unpassend vor, hier in meinem Reinkleid zu stehen. Auf die Frage, wer ich denn sei und was ich denn hier wollte, konnte ich vor lauter Gedanken, die mir durch den Kopf gingen nur mit Schweigen antworten, so daß mir die Sichtverbindung vor den Augen geschlossen wurde.

Betrübt setzte ich mich vor das Tor und wartete. Es tat sich nichts im Inneren, also mußte ich es noch einmal versuchen. Diesmal klopfte ich kraftvoll und der Hall pochte noch zwei Mal dumpf gegen das Tor. Erneut tat sich das Fenster auf, und ein gelangweilter Blick von drinnen wollte es gerade wieder schließen, als ich mir ein Herz faßte: "Ich bin Maraka de Sczallhar und wünsche eingelassen zu werden!". Das für mich unglaubliche geschah. Ein Klimpern eines Schlüsselbundes war zu vernehmen, dann ein scharfes Klicken des Schlosses, um dann einem lauten Quietschen Platz zu machen, welches das Öffnen des Tores begleitete.

Erst wollte man mich wieder hinauswerfen, als ich meine Geschichte erzählte, doch dann erwähnte ich, was das Orakel über meine Zukunft vorausgesagt hatte. "Vielleicht", so begann der Oberste, "ist Euch eine andere Zukunft beschieden, als Ihr es selbst vermutet hattet. Ich will Euch ausbilden, aber ich verlange von Euch den Fünften allen Besitztums, den ihr teilen könnt. Außerdem sind die Regeln hier einfach und unkompliziert. Jeder Zauber, den Ihr finden werdet, ist uns weiterzureichen. Und solltet Ihr selbst Herrin über ein Tal oder mehr werden, so entsendet mir in Zukunft jeden Zehnten, den ihr von seinen Bewohnern einnehmt, denn dies soll Eure Entlohnung für unseren Aufwand sein". Auf diese Forderung ging ich ein, denn ich war in Geschäften noch nicht firm genug, um zu erkennen, welche Auswirkungen dies für mich haben könnte.

Nun, der Rest ist schnell erzählt. In Immergrün lernte ich noch weitere Dinge, die mir bei den Kairandenites verborgen geblieben waren. Ich lernte die andere Seite der Magie kennen. Die, welche sogar ohne Kairans Hilfe nur aus mir selbst heraus zu benutzen ist. Mein Grundwissen ließ mich schnell durch die Prüfungen kommen, und schon bald bekam ich den Titel einer Novizin des Klees zugewiesen. Meine alten Kleider, die mir nicht mehr paßten, wurden umgenäht. Ein Umhang mit dem Kleeblatt von Immergrün war auch daraus geworden. Aus der restlichen Seide wurden ohne mein Zutun Kleider genäht, die ich selbst erst äußerst abstoßend empfand. Aber irgendwann machte es doch Spaß diese auf der Haut zu tragen. Wenn ich fragte, warum ich denn so herumlaufen sollte, hieß es immer, daß allein das Lehrmaterial und das Zauberbuch schon so viel kosten würden. Ich solle bloß keine zu hohen Anforderungen stellen. Außerdem bräuchte ich mich nicht verstecken. Nun, mit der Zeit bin ich tatsächlich stolz auf mich geworden.

Sicher wirst Du jetzt sagen, daß man so nicht von sich selbst sprechen soll, aber warum soll man nicht selbst einmal das sagen, was man empfindet? Vor etwa einem halben - oder ist es schon ein ganzes? - Kaole wurde ich dann von dem Obersten herangerufen. "Mädchen, Du hast jetzt genug gelernt. Du bist schon viel zu lange hier, und es ist an der Zeit, daß Du nach Hause gehst, so daß Du Deinen Mann findest, der schon so lange auf Dich wartet, Dein Tal mit Deinen kleinen Lieblingen bevölkerst und Deine Schulden bei uns eingestehst. Prinz Aldan hat sich angekündigt, daß er nun, wo Du deine Flausen endlich ausgelebt hast, bereits ist, Dich in fünfter Ehe zu sich zu nehmen. Er hat uns mehrfach beteuert, Du seist ihm so lieb, wie seine Erstfrau, und er bedauere, daß Du ihn so lange hast warten lassen. Du wirst sicher eine treue und gute Lehrerin und Mutter für Eure Kinder sein. Es ist bereits ein Bote hier bei uns, der Dich auf Deinem weg begleiten soll.

Schreckerstarrt konnte ich nicht fassen, was ich da hörte!

Sie hatten alle gewußt, wo ich bin? Die ganzen Jahre hatten sie also gewußt, daß ich in Immergrün lebte und meinten, daß sie nur noch mit den Fingern zu schnippen bräuchten, damit ich zu Aldan gehe, er mir beiwohnt und ich ihm und dieser Hure Kinder gebäre, die sich von ihr mehr sagen lassen müssen als von mir? Niemals!

Mit halb erstickter Stimme sagte ich zu dem Obersten: "Herr, Du hast mich bier lernen lassen, und ich bin froh darüber. So will ich denn nun losziehen, auf daß ich meinem Mann eine gute Frau und den Kindern eine gute Mutter und Lehrerin werde."

Nun ja, ich muß zugeben, daß ich die Wahrheit ein wenig gebeugt habe. Der Oberste dachte, ich würde nach Osten zu Prinz Aldan reisen, aber ich dachte an meine Kinder, wenn ich Hasnai Meanan, Erstmutter, werde. Doch das wird er wohl schon wissen. Der Bote war leicht abzuhängen. Als er und seine Windkralle ein paar Stunden rasteten und schliefen, schlich ich mich einfach Richtung Süden davon und kehrte Gelen den Rücken.

Sie rümpft ihre Nase und hechtet mich erschrockenem Blick zu dem Topf, was den Vogel aufscheucht, und er Biegt unter lautem Protest von dannen, wohl ängstlich darüber, daß er vielleicht doch die Fleischeinlage in der Suppe hätte sein sollen, die jetzt gerade unter lauten recht undamenhaften Flüchen neben der Feuerstelle ausgegossen wird, während die letzten schwarzgebrannten Überreste noch mit einem Holzlöffel aus dem Topf gekratzt werden. Selbst der Windstelz im Hintergrund gibt einen mißbilligenden Pfeiton von sich, während er zwei Schritte zur Seite stapft, wobei kleine Glocken an seinem Hals leise läuten.

Das Mädchen hüpft auf, was selbst durch das Schellen vieler kleiner Glöckchen begleitet wird, die sie an Fuß- und Handgelenken befestigt hat. Mit einem leisen "Prsczn-Ataharr-Prscz" redest oder pfeift (?) sie auf das hohe Tier ein, und langsam beruhigt es sich wieder.

"Mein großer Freund, Prsczn-Ataharr-prscz, sei nicht so ungestüm. Siehe, mein Essen ist verbrannt, aber Du bist schon satt. Sei also nicht so unruhig. Laß uns für heute schlafen gehen."

Rege sammelt sie ihre Sachen ein und bringt sie ins Zelt, um sich dann selbst zur Ruhe zu legen. In dieser Nacht ist nur eine kleine Träne Zeuge der Träume, wie sie eines anderen Prinzens Ersterwählte wird.' Langsam, wie um zu zeigen, daß dieser Traum Wärme fordert, erstirbt das Feuer, so daß diese wolkenverhangene Nacht eine besonders dichte Dunkelheit erzeugt.

Regelmäßig erwacht sie Nachts, um zu ihrem Gott zu beten. Alle 2 Stunden wiederholt sich dieses Schauspiel, um nach jedem Mal schläft sie gleich wieder tief und fest, jedoch nicht ohne zu träumen. Bilder aus der Vergangenheit spuken durch ihren Kopf.

Sie saß als kleines Mädchen am Flußufer und ließ sich von der Sonne wärmen, als ein kleiner Junge aus dem Gebüsch gekrochen kam. Er glaubte ganz unbemerkt zu sein, doch sie hatte ihn schon längst durch die halboffenen Augen ankommen sehen. Einen kleinen Topf hielt er hinter seinem Rücken verborgen. Darin wollte er Wasser von dem Fluß holen, um das kleine Mädchen naßzuspritzen. Beim Eintauchen das kleinen Gefäßes sprang das kleine Mädchen auf, und noch ehe es sich der kleine Junge versah, lag er auch schon im Wasser. Er schimpfte fürchterlich laut, doch als er aus dem Wasser kam, griente er das kleine Mädchen an, und beiden hoben ihre rechte Hand und führten die Handflächen aneinander. Kein Außenstehender kann es nachempfinden, was es heißt, wenn zwei verwandte Seelen miteinander verschmolzen. Schon damals hatten sie gewußt, ja sich gegenseitig den Schwur gegeben, ewige Treue zu halten. Prinz Aldan und Prinzessin Maraka träumten hier noch ihre Kinderträume, die von einer Seite eines Tages gebrochen werden sollten.

In einer anderen Traumlandschaft, aber so abrupt und übergangslos, sah man das kleine Mädchen noch jünger als eben gesehen. Tief in einem Brunnenschacht saß es gefangen. Zu erschöpft um noch weiter zu rufen starrte sie die kreisrunde Öffnung weit oben an, und kleine Tränchen liefen ihr über die Wangen. Sie war allein zu dem alten Brunnen gegangen und hatte kleine Steine hineingeworfen. Zu viel Schwung hatte ihr Armkettchen dazu beflügelt, von ihrem Handgelenkchen zu rutschen und einem Stein hinterherzufliegen, direkt in den Brunnen hinein. Ohne recht nachzudenken kletterte das kleine Mädchen an dem langen und immer länger werdenden Seil hinunter in die Tiefe. Nach ein paar Metern hatte sie dann schon schreckliche Angst und wollte wieder hochklettern, doch dazu war sie einfach zu schwach. Statt dessen glitt sie immer weiter an dem Seil in die Tiefe hinab, bis sie endlich auf einem kleinen Mauervorsprung Platz fand. Nur zwei Meter über dem Wasser kauerte sie nun dort, fror bitterlich und weinte. Die ganze Nacht saß sie in diesem kleinen Loch und hörte dieses tiefe blubbernde Geräusch aus dem Untergrund, unter dem sie sich die furchbarsten Gestalten ausmalte. Erst am nächsten Morgen fand ihr Vater sie dort unten, denn auch sie hatten schon an allen Orten nach der kleinen Ausreißerin gesucht. Seither kostet es sie unglaublich hohe Überwindung, sich in die Tiefe zu wagen.

Ist da nicht gerade ein Geräusch gewesen? Das Mädchen schreckt hoch und schaut sich unsicher um. Nein, es war nichts. Vielleicht trogen ihre Sinne sie nach dem schlechten Traum von eben. Sie wendet ihre Decke, welche ihr wohl zu warm erscheint, und mummelt sich wieder hinein.

Eine stürmische Nacht war über das Haus eingebrochen. Blitze zuckten am Himmel als der Bote im Kaminzimmer stand, wo es ihm sichtlich unangenehm war, daß er den Teppich volltropfte und außerdem noch schlechte Neuigkeiten überbringen mußte. Prinz Aldan war erkrankt. Das junge Mädchen kam gerade in den Raum, wie der Waldherr sprach "Kein Wort mehr!". Aber zu der heranreifenden Frau sagte er: "Junge Dame, wir wollen mal ein ernstes Wort mir Dir sprechen. Du weißt, daß Deine Heirat mit Prinz Aldan bevorsteht? Doch, wie der Bote mir gerade mitteilte, muß der Prinz noch eine harte Probe bestehen, die ihn zu einem würdigen Mann macht. Du wirst Dich also noch etwas gedulden müssen. Sobald wir Nachricht kriegen, daß er zurückgekehrt ist, wird man es Dir sagen."

In dieser Nacht noch nutzte sie die Kunst von Kairan, die sie erlernt hatte und reiste in einem Augenschlag zu ihrem Geliebten. Doch als sie ankam, war er bereits von alten Frauen umgeben, und sie konnte sehen, wie er sich unter Fieberkrämpfen schüttelte. Noch bevor sie zu ihm eilen konnte, wurde sie von den alten Vetteln abgefangen und mit fester eisiger Hand daran gehindert näher heranzukommen. "Eine schwere Krankheit hat ihn getroffen, junge Prinzessin. Es ist nicht gut, wenn ihr jetzt in seiner Nähe seid, sonst könntet ihr Euch selbst noch anstecken. Überlaßt es den Ärzten und dem Gesinde, sich ihm zu nähern. Nur widerwillig verließ das kleine Mädchen das Zimmer. Jeden Abend saß sie nun in ihrer kleinen Kammer, den Blick aus dem östlichen Fenster und betete zu Kairo um die Gesundheit ihres geliebten Freundes.

So vergingen 2 volle Taiai, bis dann eines Tages wieder ein Bote bei ihrem Vater war. Der Satz "... Prinz Aldan ist nun bereit, die Prinzessin Maraka in seine Ehe aufzunehmen..." hatte sich mit einem unvorstellbaren Schmerz ins Herz der jungen Frau gebrannt.

Schweißgebadet schreckt sie hoch und schluchzt über diesen Traum, der sie gerade verfolgt hat. Ein kühler Schluck aus dem Wasserschlauch beruhigt sie langsam wieder, und sie lehnt sich wieder zurück.

Das Orakel erschien in ihrem Traum, und wie der Hall einer mächtigen Glocke schallt ihre Stimme durch ihren Geist, aber die Worte entziehen sich jeglichem Verständnis, und alsbald verflüchtigt sich dieser Spuk wieder.

Die junge Frau und ein Mann, der Aldan ähnlich sieht, jedoch viel größer ist als er, sind zu sehen. Ja, er war so groß, wie die Männer, die sie manchmal in Immergrün gesehen hatte. Sie wußte, warum sie von diesen Männern so angeschaut worden war, doch sie machte sich nicht mehr daraus. Auch machte sie sich nichts daraus, daß sie die Gedanken ihrer Kollegen immer wieder ausgehorcht hatte, und sie sah dort Bilder von Dingen, an die sie sich nur schwach erinnern konnte. Dies waren Erinnerungen, die sie selbst nie erfahren hatte, und doch wußte sie von dem, was Mutter empfand, aber immer geschickt zu verbergen versuchte, doch nie schaffte. Dieses unbeschreibliche Gefühl des inneren Glücks, als sie ihre Tochter empfing, konnte nicht hinter noch so vielen Verschleierungen und Vorhängen verborgen halten. Und der Wunsch ihre Studienkollegen ließ keinen Zweifel daran, was sie sich vorstellten, wenn sie Maraka ansahen. Zu Anfang war sie beschämt darüber, doch hinterher machte es ihr sogar Spaß, sie zu reizen. Allerdings war keiner unter ihnen, den sie an sich herangelassen hätte. Sie waren es alle nicht wert, daß man sich mit einem von ihnen einließ.

Und es erschien ihr im Traum jener, der so groß gewachsen war, daß er fast zwei mal ihre Länge maß, und sie konnte beinahe fühlen, wie er sie in die Arme schloß, aber es fehlte die starke Offenheit, die sie unter den Ihren gefühlt hatte. Diese Großgewachsenen hatte so schrecklich verschlossene Köpfe. Sie träumte ein riesiges Vorhängeschloß, daß ihrem Geist den Zugang verwehrte. Ein gewaltiger Käfig ließ die Gedanken nur gesiebt hindurch, und dennoch schwebten sie durch einen Wald mit einer grünen Sonne. Ihr Vater winkte ihnen lächend aus den Wolken zu, und ihre Flügel glänzten wie feuchter Morgentau. Sie nahmen die Farben des prächtigsten Schmetterlings an, den sie je gesehen oder erträumt hatte, und auf seltsame Art und Weise sah sie seinen braunen Augen vor sich und hatte das Gefühl, dies seien große Gelflingsaugen. Schon verschoben sich seine Konturen. Er wurde kleine, zierlicher, jünger, die Ohren länger, das Gesicht nicht mehr so platt, Haar und Haut heller bis er ganz aussah wie Aldan. Doch dieser zog eine gräßlich Fratze und lachte sie aus, und sie merkte, daß sie gar nicht mehr seine Hand hielt, sondern die einer anderen Frau, die die Hand einer weiteren Frau hielt. Eine schier endlose Kette von Frauen, die sich durch den Himmel dahinzog, und sie war an dem hintersten Ende dieser Prozession. Ihre Flügel waren matt und grau geworden, wie verwelkte Blätter. Und als sie losließ, stürzte sie tief zu Boden. Untern angekommen fingen sie zwei starke Arme auf. Ihr Traumprinz mit den braunen Augen lächelte sie an, und sie konnte spüren, daß er sie liebte. Oder liebte sie ihn? Nein. Sein Geist war offen und sie konnte es fühlen: Sie liebten sich beide. Und sie hielten sich fest im Arm, und ihr Geist stob in golden glänzenden Wirbeln auf, die sich miteinander vermischten. Sie konnte jetzt das Gefühl spüren, daß Mutter so tief vor ihr versteckt hatte, das Gefühl einer unendlich geliebten Frau und eines unwiederbringbaren Glücks. Sie konnte es fast körperlich spüren., wie sie mit ihrem Traumprinzen in Seele und Fleisch verschmolz, während der Himmel um sie herum zu glühen begann. Das Licht wurde immer heller, immer unerträglicher, immer greller und fordernder bis dann plötzlich

Friedlich zieht die Sonne ihre ersten Strahlen durch das Land. Einer dieser Strahlen fällt durch das kleine Zelt auf der Lichtung, wo es auf ein aufblinzelndes Auge trifft. Das Mädchen streckt sich kurz und tritt aus dem Zelt, wo es sich dann vollends entfaltet. Ihre Haut ist eine leuchtende Erscheinung. Nach einem ausgiebigen Strecken sieht man sie wieder in das Zelt gehen, wo sie sich ihre Kleidung für den heutigen Tag herausholt. Die anderen Sachen breitet sie ordentlich auf dem Zelt aus, so daß sie den Geruch des Vortages verlieren mögen.

Gedankenverloren kaut sie auf einem nicht mehr definierbaren Stück eines Süßbeerenwurzel herum und scheint sich dann einen inneren Ruck zu geben. Schnell sind die Sachen zusammengepackt, das kleine Zelt abgebaut und die Feuerstelle mit Erde beschüttet, schon ruft sie "ssssrrhan Rascznatas", und das hohe Tier beugt sich tief hinab, so daß so aufsteigen kann. Mit rhytmischem Klirren der kleinen Glocken rauschen sie durch den Wald.

O

Geschwind wie der Wind schoß das hohe Tier durch das Land. Wehmütig gedachte das Mädchen auf seinem Rücken an die verlassene Heimat. Sie hatte ihrem Liebsten und auch ihrer Familie vor den Kopf gestoßen indem sie gegen die Traditionen ihres Landes gebrochen hatte.

Verzweifelt trieb sie ihren Windstelzen voran. Südwärts, weit weg von Gelfin! Schon bald würde sie über die Grenze gelangen, in dieses unbekannte Land. Das Land, was bereits von ihren Urahnen überflogen wurde und von denen kaum einer zurückgekehrt war.

In ihrer Tasche befanden sich nur wenige Utensilien, die sie nach ihrer Ausbildung mitbekommen hatte, und schon bald stellte sich eine Zeit ein, in der sie der Verzweiflung nahe war. So langsam ging ihr der Proviant aus, und sie hatte immer weniger Glück bei der Suche nach ihr bekannten eßbaren Beeren und auch das Jagdglück war ihr nicht gerade hold. Schon seit 1 Kirx hatte sie kein kleines Tier, daß sie als eßbar kannte, mehr gesehen. Und auch der heutige Tag schien wie der vorherige zu enden, denn schon tauchte die Sonne den Horizont in ein dämmeriges rotes Licht.

Da schon bald die Heilige Zeit angebrochen war, entschloß sie sich, jetzt ihr Nachtlager aufzuschlagen. Eine große Lichtung bot ihr geräumigen Platz, so daß sie die Chance nutzte und ihr Zelt inmitten der Lichtung errichtete.

Als sie in der Nacht zum dritten Mal erwachte, war außerhalb ihres Zeltes Licht zu sehen. Schatten huschten vor ihren Zeltwänden hin und her. Musik erfüllte die Luft. Schwere traurige Klänge, die sich wie flüssiges Blei in ihre Ohren zu fressen versuchten. Nur ihre starke Bindung zu Kairan hielt sie noch davon ab sich in tiefe Lethargie fallen zu lassen und sich selbst hier aufzugeben. Nachdem sich die Bindung wieder gelöst und ihre Gedanken geklärt hatten, waren die Klänge zu einem Nebenschauspiel geworden. Sie hörten sich seltsam hohl und blechern an. Eilends, so weit es ihr die Enge des Zeltes genehmigte, zog sie sich etwas an und spähte vorsichtig durch den Zelteinqang hinaus.

Die Lichtung war nicht länger eine kleine Lichtung im Wald. Sie schien auf dem Marktplatz einer riesigen Stadt zu sein. Gaukler boten mit traurigen Minen ihr Schauspiel dar, Barden spielten mit melancholischen Klängen die Festmelodie und Passanten gingen mit schleppenden Schritten über diesen Platz der solch unendliche Depressionen auszuströmen schien.

Verwirrt trat sie vor ihr Zelt und sah, wie Rascznatas, ihr edles Tier, sich mit ebensolcher Gleichgültigkeit von ihr fortbewegte. Der Weg würde unweigerlich in das Zentrum dieser Stadt führen, in dem ein mächtiger, aus schwarzen Onyx erstellter Turm, thronte. Schnell versuchte sie ihren Freund aufzuhalten, und ihre Hektik schien an diesem Ort so unangebracht, daß es selbst ihr schwerfiel sich zu beeilen. Etwas dunkles, lauerndes und unglaublich bedrückendes lag hier in der Luft.

Irgend etwas an diesem schwarzen Turm schien die Luft hier zu vergiften, das war ihr sofort klar, und wenn Rascznatas diesen Turm erreicht, bevor sie das Problem gelöst hatte, dann würde sie ihren Freund verlieren, was sie zu einer Verzweifelungstat trieb. Schrill leuchteten ihre schimmernden Flügel hervor, als sie diese entfaltete und sich in die Luft erhob, um möglichst schnell zu dem Turm zu kommen. Sie erhob sich wenige Meter über die Gebäude um einen besseren Überblick zu erhalten und war innerhalb eines Lidschlags in der Stadtmitte angelangt, während noch an der Stelle an der sie sich vorher befand die Luft mit einem leisen "Plopp!" wieder zusammenschloß.

Hier, nur wenige Meter von dem Turm entfernt, brach ein Sturm aus Schwermütigkeit wie Tonnen von Gestein über sie, herein. Ein Gefühl, so plötzlich wie ihr Erscheinen an diesem Ort, daß sie überwältigte. Sie ließ sich zu Boden stürzen, da das Leben keinen Sinn mehr habe. Näher und näher kam der harte Steinboden. Der Wind brauste mit Mißklängen durch ihre Ohren. Schrill war ihr Schrei, als sie auf dem Boden aufschlug, doch sie fiel noch immer in die Schwärze einer abgrundtiefen Nacht hinein. Waren dies die Tiefen Zuuls? Ihr Körper taumelte in dem harten Wind wie ein Blatt im Sturm und ihre Flügel bestanden nur noch aus einer real gewordenen Anballung von Schmerzen. Jede Faser in ihrem Körper schrie auf, während sie auf den sengenden Atem der Tiefe hinzustürzte. Verzweifelt breitete sie ihre Flügel aus und fühlte den Ruck, als risse ihr jemand die Schwingen aus dem Rücken. Blut ronn aus ihrer Nase und die Anstrengung, sich gegen die Schmerzen, gegen das Verlangen zu sterben zu wehren raubte ihr fast den Verstand. Und doch kam sie langsam in einen stabilen Flug, der endlose Sekunden oder Jahre andauerte, bis sie mit ihren blanken Füßen den glühenden Boden berührte. Es gab ein häßliches Geräusch, als ihre Haut verbrannte und sich von ihren Füßen in fettig qualmenden Blasen ablöste. Stechender Geruch erfüllte den Raum und grausame Dunkelheit lies sie erblinden, fraß sich wie häßliche Würmer durch ihren Schädel. Nein, es war nicht dunkel. Ihre Augen waren nur noch häßliche klaffende Löcher, aus denen das Blut sickerte und sich auf dem Boden mit frisch Erbrochenem mischte. Tief in ihrer Seele klappte die letzte Tür eines Walles auf und tödliche, vernichtende Gedanken schwappten mit der Gewalt einer Springflut in sie hinein, als sie endlich gewahr wurde, daß sie Kontakt zu einem unglaublich grausamen Wesen erlebte. Sie mußte sich davon lösen, schrie, strampelte mit ihren bis zu den Knien verkohlten Beinen und begann mit ihren hinfaulenden Armen nach ihrem Symbol Kairans an ihrer Brust zu tasten. Tödliche Schlangen wanden sich um ihren Hals in bissen immer wieder zu, impften die tödliche Flüssigkeit in ihre Halsschlagader. Verzweifelt kämpfte sich gegen den Gedanken an, sich aufzugeben, und betete, das Symbol zwischen ihren Armstümpfen stumme Worte aus einer Kehle, die kein Fleisch mehr trug zu ihrem Gott und sammelte Kraft. Mächtige Gedanken ließen sie erschauern und als sie erwachte, stellte sie fest, daß sie vor dem schwarzen Turm auf dem Boden kauerte und das Heilige Symbol mit verkrampften Fingern in Händen hielt.

Noch immer spürte sie das Sträuben ihrer Nackenhaare, während die finstersten Gedanken auf sie einstürzten. Mit aller Macht stemmte sie sich vom Boden ab, um auf wackeligen Beinen zum Stehen zu kommen. Ihr Kopf schmerzte noch immer über diese geistige Vergewaltigung, aber die Sinne waren wieder klar. Sie faßte ihren Mut zusammen und betrat den Turm, welcher sie sofort wieder mit häßlich stinkenden Gedanken vergiften wollte, doch sie konzentrierte sich nur noch auf ihre Füße. Einen vor den anderen setzen. Immer tiefer hinein in das Gebäude. Schon nach wenigen Metern wurde das Gemurmel hinter ihrer Stirn leiser um dann ganz zu verstummen, als sie einen silbernen Zylinder betrat, welcher 50 Meter in die Höhe und bis zum Kern Tanrains zu reichen schien. Kein Laut außer dem leisen Tappen ihrer nackten Füße auf dem kalten stählernen Untergrund war zu vernehmen. Am Rande des Zylinders, der sich nach oben zu verjüngen schien verlief eine schmale Treppe aus unzähligen kleinen Stufen, die selbst für ihre Füße noch zu groß erschienen. Sie spannte erneut ihre Flügel auf und spürte die Kühle des Raums in ihre entfalteten Schwingen fließen. Selbst in leichten Spiralen fliegend folgte sie den Stufen auf dem Weg nach oben. Über ihr erstreckte sich der Himmel einer fremden Welt. Die Monde über ihr waren kaum zu zählen und standen wie die Sterne in einer klaren Nacht über ihr.

Ein schleifendes Geräusch riß sie aus ihren Gedanken. In ihren Gedanken spulte sich das Bild eines grausam entstellten Wesens vor ihren Augen ab, daß sie jetzt zu Gesicht bekommen würde, während sie sich mit einer schnellen Bewegung umdrehte. Doch was sie dort sah, erschreckte sie mehr, als jedes Monstrum dies gekonnt hätte. Ein alter Mann, kaum größer als ihr Unterschenkel sah sie mit leeren weißen Augen an, deren einziges Licht das Licht ihrer Gedanken war. Er blickte in ihre Seele, das spürte sie, aber sie konnte sich diesem eisigen Griff nicht entziehen. Er war das Übel dieser toten Stadt einer fremden Welt, und er hatte diese Brücke geschaffen um fremde Kreaturen zu sammeln. Waren das ihre Gedanken? Unglaubliche Traurigkeit fiel über sie herein. Er hatte unter einem grausamen Fluch zu leiden. Niemals könne er mit einem Lebewesen sprechen, denn er war in diesem Turm der Traurigkeit gefangen und könnte ihn niemals verlassen. Der Tod wäre seine einzige Erlösung, aber er könnte nicht getötet werden, da er zu viel Macht besitzt und sich gegen einen Mörder zu wehren wüßte. Fremde, absurde und widersprüchliche Gedanken bedienten sich ihres Geistes, wetteiferten mit ihrem eigenen Geist um die Herrschaft. Ihr Körper könne dazu dienen, ihm die Freiheit zu geben, aber sie müsse dafür hier bleiben, gefangen in dem ausgemergelten Körper, nicht fähig ein anderes Wesen glücklich zu sehen. Mit erstaunlicher Macht hatte er ihre Sperren umgangen und drang in ihre Innerstes vor. Vernichtend bildete sich ihr Gedanke ihn vollständig auszulöschen, jedoch war es kein gleiches Duell. Bevor sie den Gedanken überhaupt selbst zuende gedacht hatte, war er schon an einem anderen Ort und hinterließ noch einen Rest seiner verwirrenden Gedanken, die langsam wie Schnee in der Sonne in ihrem Hirn zerflossen. Mit einengt Mal wußte sie, wer diese Person war, mit der sie ringen wollte. Es war der Höchste Meister des Plink, der im Kern Tanrains lebte. Und der Zylinder war die Manifestation der Urmacht, so wie ihre Gedanken sich dieses Bild vorstellten. Die fremden Welten, die sie sah, waren die Welten mit denen Tanrain über die gewaltigen Stränge Plinks verbunden war. Und dieser Altmeister des Plink wollte sie benutzen, um seinem Kerker zu entkommen. Viele andere schon waren vor ihr von ihm hier herabgeholt worden, aber auch sie war nicht würdig ihn wirklich abzulösen. Ihr würde das gleiche Schicksal zuteil, wie allen anderen hier, wenn sie nicht das schlimmste täte, was man machen kann. Sie mußte direkt auf den Strang von Plink aufspringen, auch wenn es ihre endgültige Vernichtung von Geist und Seele und dem bißchen Körper bedeuten könnte. Aber ihren Freund wollte sie nicht hier zurücklassen

Hastig verließ sie den Ort wieder und rannte wild schreiend und laut singend hinaus, damit die wirren Gedanken nicht erneut von ihr Besitz ergreifen könnten. Vollkommen am Ende ihrer Kräfte erreichte sie einen einigermaßen sicheren Abstand zu dem Turm, der immer noch drohend hinter ihr stand und das Licht um sie herum aufzusaugen schien. Keuchend holte sie Luft und rannte erneut los. Erst als ihr Herz in der Brust zu zerreißen schien und ihre Lunge brannte waren ihre Beine bereit unter ihr wegzusacken, wodurch sie erschöpft und am Ende aller Kräfte zu Boden sank.

Hier unten, so wußte sie, könnte sie die Macht Plinks nutzen, wie sie nie zuvor dienlich war. Es brannte in jeder Zelle ihres Körpers, als sie ihren empathischen Gelflingsgeist für ihre Umwelt öffnete und sie spürte von überall die Gedanken einherströmen. Gezielt kontaktierte sie Geist für Geist, den sie hier erspüren konnte, während sich ihr Körper von unglaublicher Macht gepeinigt in sämtliche Bestandteile auflösen wollte. Sie sammelte die Geister der Depressiven und ihr eigener Geist wurde aufgedunsen, sie schluckte die Körper der Traurigen und ihr Körper dehnte sich wie eine. Nebelwolke, welche im Takt vieler Herzen auf und nieder pulsierte. Erst als sie selbst keinen weiteren Geist mehr aufspüren konnte, ihr Geist selbst zu zerbersten schien, als die Macht, die Kairan ihr verliehen hatte sie selbst zu überflügeln schien, die Heftikgeit des Ansturms der Schmerzen unerträglich wurde, griff sie endlich mit ihrem Geist nach dem mächtigen Kraftstrom und entlud sich in einem gewaltigen Aufstöhnen in sämtliche nur erdenkliche Richtungen. Sie verging, wie viele andere auch und sie wurde wieder geformt, wie wenige andere auch. Eine bunt gemischte Gruppe von fünf Dutzend Leuten befand sich auf der Lichtung und das Blut vieler anderer klebte noch an den Bäumen in vielen Metern Umkreis. Erst jetzt überkam sie eine wohltuende Ohnmacht.

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Sie fand sich in einem daunengefütterten Bett wieder und hörte Stimmen, die leise zu ihr heraufgetragen wurden. Dieses Haus war kein natürlich gewachsenes Haus. Es ähnelte der Universität, wenngleich es nicht aus solch massivem Stein gebaut war. Kraftlos versuchte sie sich in die Höhe zu stemmen, was aber nur mit einem jähen Reißen in ihrem Rücken belohnt wurde. Heiße Tränen schossen ihre unvermittelt in die Augen und das Salz brannte auf den trockenen Lippen. Ein röchelndes Geräusch war alles, was sie zustandebrachte, als sie um Hilfe rufen wollte, und dann wurde es wieder schwarz vor ihren Augen, bis sie der scharfe Geschmack auf ihren Zunge weckte.

Ein heißer Sud sickerte durch ihre Kehle und explodierte schmerzhaft in ihrem Magen. Erst nach einem Moment begriff sie, daß sie. wieder bei Sinnen wahr, und das der Sud eine warme Suppe war, gegen den ihr Magen rebellierte.

Würgend entledigte sie sich dieses unaufgeforderten Eindringlings, worauf sie die Worte Mutter! Mutter! Sie ist erwacht!" hörte und sich schmerzafte Schemen vor ihren geöffneten Augen zu bewegen begannen. Grobe grelle Farbflächen wechselten in schneller Folge, und sie mußte ihre Augen wieder schließen, um nicht gleich wieder das Bewußtsein durch das wirbelnde Spiel von Licht und Schatten zu verlieren. Bei einem zweiten Versuch, den ihr innerer Antrieb sie unternehmen ließ, bleiben die farbigen Flächen zumindest einigermaßen stabil. Nur langsam und mit Mühe konnten sich ihre Augen wieder daran gewöhnen die Bilder dessen zusammenzufügen, was um sie herum geschah. Vor ihrem Bett saß ein Mädchen, vielleicht 10 bis 12 Kaoléi alt, und hinter ihr eine Frau mit derben Gesichtszügen, die sie auf Mitte Zwanzig schätze. 

"Na Kind, wie fühlst Du Dich?"

Der erste Versuch einer Antwort wurde begleitet von einem furchtbaren Zerren im Hals, als ob sich jeder Muskel erst einmal überlegen wollte, welcher Funktion er dient. Ein peinigender Husten war die Folge.

Sanft strich die Frau ihr mit der Hand über die Stirn. "Sprich jetzt nicht. Ich sehe, Du leidest noch unter der langen Zeit."

"Lange Zeit?", stieß sie krächzend hervor. "Was ist los und wo bin ich hier? Wo ist Rascznatas?"

 

"Beruhige Dich erst einmal. Du hast drei Taiái verschlafen, und wir haben Dich hier bei uns aufgenommen, weil Du meinem Mann das Leben gerettet hattest, so wie einigen anderen, die aus ferneren Orten gekommen sind. Wir wollten Dich nicht aufgeben, obwohl Dein Schlaf nicht einmal von Den Priestern im Kloster zu Vernio gebrochen werden konnte. Sie sagten mir, daß Dein Schlaf von Vernio nicht zu unterbrechen gewollt sei, und daher hatten wir uns entschlossen, Dich bei uns aufzunehmen, Kind. Leider muß ich Dir sagen, daß bei den Überlebenden nicht Deine Eltern zu finden waren. Es tut mir leid."

Wie gut war es doch, daß die Hochgewachsenen nicht ihre Gedanken lesen konnten. Sonst hätten sie bei diesen Worten wahrscheinlich sofort die Bilder gesehen, die sie von dem Hof ihrer Eltern hatte. Die Gedanken schweiften weiter durch die Zeit zu dem Abend, als sie mit Rascznatas davongeritten war. Allerdings wurden diese Gedanken jäh zerrissen.

"... darum haben wir uns dann überlegt, daß wir Dich adoptieren würden. Allerdings wollte uns der Landgraf nicht die Genehmigung geben, bevor er von Dir gehört hatte, ob Deine Eltern ebenfalls dort in diesem schaurigen Ort gefangen gewesen waren oder sie vielleicht noch irgendwo leben."

Das Gespräch verlief noch einige Zeit in ähnlicher Richtung weiter. Maraka erfuhr, daß sie sich in der Stadt Sonenta in Zentral-Virsae nur wenige Tagesreisen südwestlich der Hauptstadt befand, und daß ihre Sachen auf dem Speicher des Hauses zusammengelegt in einer Kiste waren. Die Leute, bei denen sie aufgenommen worden war hießen Marga und Tifaldes Lonesas und waren 26 bzw. 31 Kaoléi alt und hatten bereits drei Kinder, die Marga mit 13, 17 und 19 geboren hatte. Die Namen der drei Mädchen waren Metti (2.2.560), Lides (25.4.563) und Bonaris (5.3.566). Während dieser Unterhaltung log Maraka ihr vor, daß ihre Mutter schon früh verstorben war, und ihr Vater mit ihr zusammen gewesen sei, als dieses schreckliche Unglück geschah.

Wenige Tage später war die Adoption amtlich gemacht worden und ihr Name war auf Maraka Lonesas in den Papieren der Stadt aufgenommen worden. Als Geburtsdatum wurde auf den 5.8.563 festgelegt, denn sie wurde mit ihren 17 Kaoléi tatsächlichem Alter erst auf 10 Kaoléi geschätzt. Maraka wehrte sich nicht gegen diese neue Erfahrung, war sie doch unter Leuten, die sie wie ein eigenes Kind liebten. Bei Tifaldes, einem Mystiker (Runenmagier) lernte sie. wißbegierig die Kunst des Lesens dieser eigenmagischen Schrift und gemeinsam mit Lides entdeckte sie ihre Liehe zur Musik. Der Bruder ihres "Vaters", Rines, welcher ein angesehener Barde und Instrumentenbauer im Ort war, schnitzte ihr eine Doppelflöte, die sie mit ihren acht Fingern noch bequem spielen konnte.

Maraka freundete sich mit ihren neuen Schwestern und dem Sohn des Nachbarn, Lothar, an. Häufig zogen Lides, Lothar und sie einfach so los, und erlebten in den nächsten drei Kaoléi eine glückliche Zeit. Die drei verstanden sich stumm, so als ob eine Bindung wie zwischen Gelflingen bestünde, jedoch baute sich eine solche Übereinkunft niemals auf. Lides wurde merklich größer und es kam immer häufiqer vor, daß Lothar und sie allein loszogen. Maraka verstand diese seltsame Anwandelung nicht. Wie konnte man so auf eine Zurückqezogenheit pochen, war sie doch die erste, die auf Lothar zugegangen war. Sie wußte mittlerweile, daß es Sitte war, daß ein Mann nur eine einzige Frau bekommt, und sie wollte die Einzige für ihn sein, auch wenn sie im Grunde ihres Herzens bereit gewesen wäre, ihn mit Lides zu teilen.

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Eines Tages, Lothar war gerade 16 geworden und hatte von seinem Vater an seinem Geburtstag einen vollen Tag lang frei bekommen, ging sie spielerisch zu ihm herüber. Sie spürte, wie ihre Mutter gefühlt haben mußte, als sie ihren Vater traf. Das Brennen in ihrem Bauch vor Ungeduld über das Ereignis schien sie schier zu zerreißen. Sie fragte ihn, ob er denn nicht Lust hätte, mal ein wenig an seinem freien Tag oben am See Ball zu spielen, und die Luft zitterte vor Spannung, als er leichthin zustimmte. Sie liefen wie zwei ausgelassene Kinder zum See und spielten in der Mittagssonne, welche die winzige Lichtung in helles, beinahe blendendes Licht tauchte.

Lothars Muskeln spannten das Hemd bis zum zerbersten, wenn er mit groben Bewegungen den Ball auffing. Die Luft war erfüllt vom Duft des Schweißes, als Maraka juchzte: "Wer zuletzt im Wasser ist, muß Kuhdung schippen!". Sie striff sich hastig die Kleidung vom Körper, während Lothar es ein wenig ungelenk ihr gleich tat. Doch sie kamen nicht dazu in das Wasser zu springen. Sie sahen sich gegenseitig tief in die Augen und beqriffen, was jetzt passieren würde. Lothar kam mit hölzernen Bewegungen und trockenem Mund auf sie zu und berührte sie mit seinen groben Händen, den Blick nicht von ihrem Körper nehmend, zaghaft an ihren Brüsten. Und dann traf ihr Mund auf den seinen und beide verschwammen im Schwindel der Gefühle.

Sie bemerkten nicht, daß Lides ebenfalls an der Lichtung angekommen war und die Beiden beobachtete. Sie war mittlerweile schon zu einer jungen Frau herangereift und erlebte ihren fünfzehnten Sommer. Sie sah, wie Maraka nach endlosen Minuten von Lothar fort ins Wasser ging, um ein paar Runden zu schwimmen. Und als er zurücksank und Maraka sich vom Wasser aus nicht mehr zu ihm herumdrehte, huschte sie selbst auf die winzige Lichtung. Spröde war ihr Mund, als sie Lothar bar jeder Kleidung vor sich liegen sah. Seine Männlichkeit übermannte ihre Sinne und kurze Zeit später stieß sie schon die ersten Seufzer der Lust aus, als sie mit ihm zusammenschmolz, und die zarten Hände von Maraka kurze Zeit später feucht vom Seewasser über ihren Rücken und ihre Brust strichen. Die drei kamen erst nach Einbruch der Dunkelheit wieder nach Hause und konnten nicht über das erlebte sprechen Lothar hatte sich verwirrt von ihnen zurückgezogen und es schien einen großen Spalt in ihrer Freundschaft zu geben. Drei Taiái später blieb Lides nichts anderes übrig, als daß sie dieses Erlebnis ihrer Mutter beichten mußte, denn sie konnte die heranreifende Frucht in ihrem Körper kaum noch verbergen.

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So waren vier Kaoléi vergangen, seit sie zu ihrer neuen Famile gekommen war, und im T.d.R. 578 wurde zwischen Lides und Lothar der Bund fürs Leben geschlossen. An dem Abend hörte Maraka versehentlich ein Gespräch ihrer "Mutter" mit einer ihrer Schwestern über sich mit an. Sie mache sich Sorgen, daß Maraka immer noch so sehr zurückgeblieben sei. Ihre Proportionen wären zwar schon die einer Frau, aber sie würde immer noch wie ein Kind aussehen und sei so furchtbar klein und fremdartig, daß sich wohl kein Mann finden würde, der sie jemals heiratete. Maraka hörte den Rest schon gar nicht mehr. Ihr Entschluß stand bereits fest. Hier konnte sie nicht mehr bleiben und ihren "Eltern" weiter zu Last fallen.

In der Nacht ging sie auf den Speicher und öffnete die alte Truhe, in der sie ihre Sachen, die sie an dem schicksalsreichen Tag getragen hatte, wiederfand. Sie entledigte sich der schweren Kleider, die sie hier getragen hatte und schlüpfte in die weiche, luftige Seide, die ihren Körper vor Erleichterung erzittern ließ. Angst und ein schwermütiges Gefühl breiteten sich in ihr aus. Nein, so ohne Abschied wollte sie nicht gehen. Sie schlich in das Labor ihres "Vater.," und nahm sich ein Blatt und Tinte. Es bereitete ihr Probleme von der gewohnten Schreibweise in diese fremdartige Gradlinigkeit zu fallen, die die hiesige Schrift hatte. Sie hatte es nie richtig gelernt, sich nie darum bemüht, die Schriftzeichen zu lernen, und so schrieb sie mit schwer laufender Feder einen Abschiedsbrief:

Liebste Eltern,

Es tut mir leid, daß ich nicht den Mut habe, Euch unter die Augen zu treten, aber ich will Euch nicht länger zur Last fallen. Ihr habt mich aufgenommen wie ein eigenes Kind und geliebt wie ein solches, doch ich gehöre nicht hierher, wie ihr selbst schon festgestellt hattet.

Leider habe ich Euch angelogen, was meine Herkunft angeht. Ich gehöre zu den Gelflingen, die ihr nur aus Sagen kennt, so wie unser Volk das der Hochgewachsenen auch nur noch aus Erzählungen kennt. Ich bin vor Jahren schon einmal davongelaufen, und meine leiblichen Eltern leben wahrscheinlich noch alle, doch zu ihnen werde ich nie zurückkehren.

Wenn ich einen Mann gefunden habe, der mich liebt und mich zur Frau nimmt, dann - das verspreche ich - kehre ich zu Euch zurück, um ihn Euch vorzustellen und damit er nach Eurer Sitte hier bei Dir, Vater, um meine Hand anhalten kann. Eure Sitten sind mir zwar immer noch sehr fremd, aber ich habe festgestellt, daß hier ein Mann immer nur eine Frau haben darf, was in meiner Heimat anders ist.

Ich weiß jetzt, was die Prophezeiung gemeint hatte, als sie mir sagte, ich werde die Erstfrau eines Mannes sein, aber anders, als dies normalerweise der Fall sei.

Bitte verzeiht mir.

Ich liebe Euch alle.

Gebt Metti, Lides und Bonaris einen Kuß von mir. Mutter, ich muß Dir noch etwas sagen. Ich weiß, daß Du einen Sohn bekommen wirst. Sei also nicht traurig, wenn ich euch jetzt verlasse, ihr werdet bald wieder zu sechst sein.

Diesen Zettel, der mit einer fast unleserlichen Handschrift und ebensovielen Tränen wie Tintentropfen auf dem Blatt geschrieben war, legte sie fein säuberlich auf den Tisch und ging fort. Draußen auf der Weide stand Rascznataar. Er fühlte bereits die innere Aufregung seiner Herrin und stieß einen aufgeregten Pfiff aus. Tränenverschleiert sattelte sie das Tier und ritt in Richtung Süden.

Nur ein einsamer, trauriger Mann blickte ihr aus dem obersten Fenster ihres Elternhauses hinterher. Die Augen ihres "Vaters" waren erfüllt von Tränen und sein Herz war schwerer als der Stein eines riesigen Obelisken. Er hatte Angst, die liebste seiner Töchter nicht mehr wiederzusehen und schaute noch die halbe Nacht aus dem Fenster hinaus, obwohl er den immer kleiner gewordenen Punkt am Horizont schon längst aus den Augen verloren hatte.

Tränen füllten ihre Augen, als sie von dem Hügel in die Richtung ihrer neuen - wieder verlorenen – Heimat zurückblickte. Die Jahre dort waren schön gewesen, aber dennoch gehörte sie nicht hierher.

Und nach Gelfin gehörte sie auch nicht mehr. Sie hatte eine der höchsten Traditionen gebrochen, was sie im Grunde ihres Herzens betrauerte. Aber dieser Verrat ihrer ehrlichen Gefühle war einfach zu viel gewesen. Wahrscheinlich war dieses neue Leben ihre Bestimmung, so wie das Orakel immer von dem Großgewachsenen gesprochen hatte, der sie zur Erstfrau nehmen werde.

"Prascz-arhati, mein Freund. Es geht mir gut. Xri tharr derra miscz, Ascznatar", sprach sie zu ihrem Windstelz, während sie liebevoll seinen Nacken krault. Ein sanftes Gurren ist die Antwort auf diese sanfte Berührung, die von einem schrillen Pfiff abgelöst wird, als sie ihm mit einem sanften Schenkeldruck bedeutet, daß es nun weitergeht.

Wehmütig und einsam ist der Weg, der sie immer weiter nach Süden führt. Ein klares Ziel hat sie nicht mehr vor Augen, außer daß sie einem Traumgebilde nachläuft, daß seit ihrer frühesten Kindheit vor ihrem geistigen Auge abläuft. Oft muß sie an ihren Prinzen denken, wie glücklich sie beide gewesen wären. Bestimmt hätten sie jetzt schon vielen Kindern das Leben geschenkt.

So vergingen eine Kirx nach der anderen, während sie ihre Reise immer näher an die Südgrenze Virsaes führte. Dortige Städte waren ihr nie richtig vertraut geworden, weil sie – wie von einer unsichtbaren Macht getrieben – nie an einem der Orte seßhaft wurde.

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An diesem Tag war sie unlustig sofort loszureisen und suchte sich daher am Vormittag einige Wurzeln zusammen, die sie in ihrem Topf zu einer sättigenden Suppe kochen wollte. Selbst ihr Zelt hatte sie noch nicht abgebaut, als sie ein Geräusch vernahm.

Ein bunt gewürfelter Haufen Leute, von denen die meisten schon längst ein Bad und einen Barbier hätten gebrauchen können, stand dort vor ihr und sprach sie Tanrainika mit einem sehr ungewohnten Akzent an. Die grellweiße Frau ergriff stellvertretend zu den anderen gleich das Wort: "Hallo Kleine! Was machst Du denn hier so alleine?", und ihr kleines Mädchen lief sofort auf sie zu, weil sie in ihr ein anderes Kind als Spielkameradin wähnte.

"Man nennt mich Maraka, und ich bin kein kleines Mädchen mehr, selbst wenn ich so aussehen sollte", blaffte sie entnervt zurück. Es ging ihr so sehr an die Nerven, daß sie immer wieder nur als Kind angesehen wurde, daß sie dies einfach nicht netter loswerden konnte.

"Und ich bin Jana, nett Dich kennenzulernen. Sind denn Deine Eltern auch hier in der Nähe?" ignorierte sie den Einwand unserer jungen Heldin. "Nein, sind sie nicht, denn ich reise allein. Vielleicht sagt euch ja Gelfin etwas? Dort bin ich vor 21 Kaolei geboren worden." korrigierte sie mit gemäßigter Freundlichkeit.

So konterte noch ein Wort das nächste, bis sie tatsächlich einsahen, daß sie unter der schützender Hand Kairans diesen weiten Weg allein angetreten war. Andererseits wurde ihr eindringlich klargemacht, in welch gefährlicher Welt sie sich bewegte, Selbst ihr unerschütterlicher Glaube an die Macht ihres Gottes lies sie nicht daran zweifeln, daß es tatsächlich sicherer wäre, wenn man in Gesellschaft reiste.

Außerdem wäre es nicht mehr so einsam. Selbst die flüchtige Kontaktierung mit dem Geist jener Person, die sie unbemerkt während des Gesprächs aufgebaut hatte, zeigte ihr keine

Feindseligkeit, und die Gesellschaft dieser Leute, besonders des Elfen Warakas, dürfte ihr Leben vielleicht wieder angenehm erscheinen lassen. Sie redete sich ein, daß er bestimmt derjenige sei, den das Orakel gemeint hatte, da sie ihn sofort sympathisch fand. Da ihr Weg sie in keine definierte Richtung führte, behauptete sie einfach, sie hätte sowieso den gleichen Weg, wie die anderen.

So lernte sie im Laufe der nächsten Daoi einen nach dem anderen immer besser kennen. So konnte sie bei Jana eine gewisse Unbedarftheit bemerken, während ihre nicht so albinohäutige Zwillingsschwester Tasha Inbegriff des Kampfesmutes war. Leider war sie so sehr von ihrer körperlichen Kraft eingenebelt, daß ihr Geist die Offenbarungen der Götter nicht empfangen hatte. Und dennoch konnte sie bei den beiden etwas spüren, daß den geistigen Kräften der Gelflinge ähnlich kam. Jedoch ließ sich diese latente Kraft nicht freisetzen.

Als eingebildeten Schnösel erkannte sie Allanon, der immer wieder darauf hinwies, Prinz von Alba und ein Drachentöter zu sein. Dies stimmte zwar alles, jedoch beeindruckte sie das wenig. war sie selbst doch auch eine Prinzessin. Sie war eine geborene "de Sczallhar", doch das schien hier nichts zu bedeuten. Aber das schütze sie auch davor, von ihrem Vater gefunden zu werden.

Bei Rudger konnte sie nur eine völlige Fixierung auf Gold und Edelsteine feststellen. Eine sehr eingeschränkte Lebensauffassuung, wie sie wahrscheinlich nur von einem Zwerg gelebt werden kann. Ihn würde sie niemals zu Kairan bekehren können, es war ihr klar.

Vielleicht wäre das ja bei der kleinen Kassi möglich, wenn ihre Mutter (Jana) ihr nicht ständig dagegen dazwischengefunkt hätte. Bei Warakas würde eine Bekehrung wohl ebenfalls nicht gelingen, lebte er doch der höchsten gelfischen Gottheit geweiht. Er war Heiler im Namen Mielikkis, und somit ein Vertrauter des Waldes. Er würde mir den Dingen und nicht den Gedanken vertrauen können.

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Es war eine sternenlose Nacht, und ihre Sehnsucht Warakas gegenüber wuchs immer stärker. Wahrscheinlich war es sein angenehmes Äußeres, oder sein liebenswertes Wesen, daß sie zu ihm hinzog. Echte Liebe war es nicht, aber wenn man so sehr auf ein Ziel fixiert war, dann konnte man die Seiten des Weges nicht nicht erkennen.

Warakas hielt gerade die dritte Wache, als sie sich dazu entschloß, ihm ihre Gefühle einzugestehen.

Zaghaft kontaktierte sie seinen Geist und vollzog die Verschmelzung, die ihr Kairan bei ihrer Weihe offenbart hatte. Sie erinnerte sich an Bilder, die sie aus ihrer alten Welt kannte, und er erinnerte sich an seine Vergangenheit, die vom Schmerz über den Verlust seines Bruders geprägt war.

So erlebte er in einer Art Tagtraum einen Teil der Kindheit Marakas mit. Er sah ihre alte Liebe. die phantastischen Gebäude, die bunt geflügelten weiblichen Gelflinge wie Schmetterlinge durch die Lüfte gleiten. Er konnte direkt spüren, wie der Luftzug seinen Körper umspülte. wie unglaublich schön dies war. Leise entrann sich seiner Kehle ein Seufzer, erschlagen von dieser Pracht.

Indes konnte sie die Bilder seines Lebens vor Augen sehen. wie er seinen toten Bruder noch vor wenigen Tagen in Händen hielt, wieviel Schmerz in seiner Brust noch lebte, und sie teilte diesen Schmerz, so wie er ihre ungezügelte Lust. Gefesselt von diesen Gedanken merkte sie kaum, daß der Kontakt nach einiger Zeit ihre Kräfte überschritten hatte und abbrach.

Während sich um ihn herum die Nebel der Fremdartigkeit lichteten, war sie noch umspült von der Trauer. Wortlos sackte sie wieder in ihr Zelt zurück, und er konnte hören, wie sie dort leise schluchzte.

Doch auch er konnte, wollte (?) nicht zu ihr gehen. Vielleicht war er zu entsetzt über diese Umspülung seiner Gedanken, oder er war einfach nicht offen genug. als daß er etwas unternehmen konnte. Sie wartete vergebens, daß er nun zu ihr ins Zelt kam, und sie ihm ihren ganzen Trost schenken konnte.

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In den nächsten Tagen wagte sie diesen Schritt nicht noch einmal. Er würde schon zu ihr hinkommen. Er wußte doch, daß er ihre Gedanken empfangen hatte? Hatte er sich nicht sogar zu ihr hingezogen gefühlt? Sie konnte es doch genau spüren, als sie zum ersten mal seinen Geist kontaktiert hatte.

Dennoch getraute sie sich nicht nachzuhorchen, welchen Eindruck sie in seinem Inneren hinterlassen hatte. Sie kam sich von Tag zu Tag schäbiger vor, weil er überhaupt keine Anstalten machte, sich ihr zu nähern.

"Hoffnung gibt es immer", stand in einer der vielen Geschichten, die sie gelesen hatte. Und an diese Hoffnung klammerte sie sich. Vielleicht hatte sich das Orakel ja geirrt, und sie hätte doch nach Gelfin zurückreisen sollen?

Müßige Gedanken? Verletzter Stolz? Was es auch immer war, es lenkte sie nicht ab, sondern verhärmte sie immer mehr, bis sie eines Tages unverhofft mit dem Erscheinen eines schwarzen Menschen konfrontiert wurden.

Dieser sprach keine der hiesigen Sprachen und wirkte völlig hilflos. Hilflos? Das war nicht das richtige Wort. Ehrfürchtig und verängstigt wären die richtigen Worte für das Verhalten, das er an den Tag legte. Er schien sie alle für etwas göttliches zu halten, und als Maraka ihre gottergebenen Fähigkeiten einsetzte, um sich mit ihm zu verständigen, wäre er vor Ehrfurcht fast mit

dem Boden verschmolzen.

Es kostete unheimliche Mühe, ihm klarzumachen, daß sie keine Götter waren, auch wenn sein Auftauchen hier durch einen göttlichen Eingriff durchgeführt wurde. Es gab deutliche Diskussionen darüber, was man denn mit ihm machen sollte, und letztendlich übernahm Maraka die Verantwortung für dieses bedauernswerte Lebewesen.

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Xaniyamkixei lernte eifrig die neuen Worte, die Maraka ihm in Wort, Bild und Gedanken nahebrachte, jedoch langte es bei weitem nicht für eine große Unterhaltung. Im Ausgleich dafür schien er sich mit seinen begrenzten Mitteln erkenntlich machen zu wollen, aber leider scheiterte dies häufig an der Verständigung.

So konnte er nicht wissen, welches Entsetzen er bei den Einzelnen hervorrief, als er Raupen und Käfer sammelte und sie der Allgemeinheit zum Essen anbot. Viel schlimmer noch, als es für Menschen, Elfen und Zwerge war, empfand Maraka dieses Angebot. Diese Raupen erinnerten sie zu sehr an das werdende Leben in Gelfin. Ihr schauderte beidem Gedanken, solch ein Tier zu essen, wie es wahrscheinlich jeder denkenden Echse geschaudert hätte Eier zu essen.

Aber sie wollte das Vertrauen dieses heimatlosen Menschen nicht erschüttern und überwand ihren tiefsten Ekel und probierte diese Speisen. Mit jedem Bissen, den sie tat, hielt sie dies für ein Symbol dessen, daß sie bisher noch keinen Kindern das Leben schenken durfte.

Ihr Herz war schwer von dieser Last.

Und Warakas zeigte sich zwar immer sehr nett und zuvorkommend ihr gegenüber, aber die Feuer der Liebe hatte sie in seinem Herzen nicht entfachen können. Schmerzlich erlosch auch die milde Glut in ihrer Brust.

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Auf dem Weg nach Isdarae fanden sie einen am Wegesrand liegenden alten Mann. Es steckte noch Leben in ihm, und die Heilzauber taten ihre Wirkung.

Er stellte sich ihnen als Barnabas vor. Er sei Magier und sein Schüler von Echsenmenschen entführt worden.

Hastig machte sich ein Teil der Gruppe auf den Weg ins Waldesinnere. Dies hätte ihnen beinahe das Leben gekostet, als sie auf ein sumpfiges Stück trafen. Resigniert kehrten sie zurück und versuchten die Gruppe, die den Weg ins nächste Dorf mit dem alten Mann eingeschlagen hatten, einzuholen.

Jene waren aber bereits dort angekommen und wieder aufgebrochen. Sie wollten mit einem Führer sicher durch den Sumpf zu den Echsenmenschen finden.

Aus Erzählungen wußte Maraka, was sich dann abspielte, denn ihr Gott hatte sie an diesem Tag für eine Unachtsamkeit schwer bestraft und sie zu einer ausgedehnten Meditation bewogen.

"Als wir drüben in dem Lager der Echsen ankamen", berichtete Jana ihr später ,"hatten wird den armen Lehrling nicht mehr retten können. Wir fanden seinen Kopf auf einer Stange, und seinen Körper hatten sie wohl schon verspeist.

Wir wähnten uns schon verloren, aber Allanon hatte die richtige Idee zur richtigen Zeit. Allein das Entsetzen des Anblicks seines durch Drachenblut verunstalteten Körpers hat sie schon vertrieben. Und diesen Zettel haben wir dort gefunden"

Jener Zettel wies sie auf eine gewaltige Bibliothek hin. die nördlich von Sczaradis Mund sein sollte.

Kurz bevor sie ihr Ziel drei Daoi später erreichten, fand Maraka eine Nachricht in ihrem Postfach vor. Es war ein Rundschreiben der Universität, wo demjenigen ein Anteil an der Belohnung versprochen wurde, der etwas über den Aufenthalt eines "Allanon von Bastards" wüßte.

Dies war für sie die Gelegenheit, zwei Fliegen mit einer Klappe zu erschlagen. Zum einen würde sie diesen nervtötenden Typen los, und zum anderen würden ihre Schulden bei Immergrün geschmälert.

Mit der Abendsendung erschien ein "Kristall der Ortung" in ihrem Postfach. Kurz darauf erschien einer der Hohen Herren mittels einer Teleportation und holte Allanon, der heftig gegen den Steckbrief protestierte, einfach ab.

Zum Glück war Jana mit ihrem ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn auf ihrer Seite, denn ansonsten wäre ihre Reise hier wohl am Ende gewesen. Bis zum Abend herrschte noch eine eisige

Stimmung, die aber am Lagerfeuer wieder auftaute. Man hatte jetzt auch andere Sorgen. So hatten alle "Blut geleckt", was das Auffinden der Bibliothek anging.

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Auf dem Weg zum dem Berg wurden sie von einem vorwitzigen Halbling attackiert, der wahrscheinlich an diesem Tag zum letzten Mal aufgestanden wäre, wenn sie nicht früh genug festgestellt hätten, daß sein Geist verwirrt worden war.

Er hatte in Sczaradis Mund geblickt, und dieser Anblick, vor dessen Erinnerung sein Geist eine mächtige Mauer gezogen hatte, war wohl so schrecklich gewesen, daß er für kurze Zeit nicht mehr Herr seiner Sinne gewesen war.

Karidis, wie er sich nannte, war von einem einnehmenden Wesen, das konnte Maraka bereits bei dem ersten Kontakt feststellen. Das, was sie bei ihm spürte, hatte sie bisher nur bei Leuten festgestellt, die anderen ihren Besitz neideten.

Von diesem Tag an, achtete sie darauf, daß er niemals allein bei ihren Sachen blieb.

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Während der Zeit in der Stadt war ihr Geld wegen des Unterhalts, den sie für den Wilden übernommen hatte, schon so sehr angegriffen worden, daß sie neben der Stelle als Weberin auch noch eine weitere Stellung annahm, die sie auf der öffentlichen Ausschreibung fand.

Ein blinder Halbelf suchte jemanden, der ihm Geschichten vorlesen sollte. Dieser Milias Tridenis war bereit 1 Taxmen täglich für diesen Dienst zu bezahlen. Da sie eine ausgebildete Geschichtenleserin war, fühlte sie sich zu dieser Arbeit geradezu berufen.

Nach anfänglichen Problemen einigten sie sich nach einer Kostprobe ihres Könnens darauf, daß sie ihm zumindest 1-2 Stunden am Tag etwas vorlas. Da sie nicht zu seiner vollen Verfügung stand, einigten sie sich auf 2 Talente für jede Stunde, die sie ihm vorlas, so daß sie noch ihrem eigenen Studium nachgehen konnte.

Beinahe hätte sie sich sogar dazu hinreißen lassen, eine erträglichere Stellung anzunehmen, jedoch hielt sie ihr Optimismus davon ab. Es würden sicher bald wieder bessere Zeiten anbrechen. Unter anderem verkaufte sie ein paar der Wertgegenstände, die sie für entbehrlich hielt und konnte so noch ein paar Taxmen für die anstehenden Reisevorbereitungen übrig behalten.

 

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Wenige Tage vor der Konjunktion traten sie ihre Reise zu Sczaradis Mund an, und sie war schon sehr gespannt darauf, was sie dort sehen würden. Ein wenig Sorgen machte sie sich schon, denn nach den Erzählungen der anderen, mußte. es wohl immer wieder auf ihren Reisen zu schlimmsten Ereignissen gekommen sein.

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Der auf der Karte verzeichnete Eingang war recht leicht gefunden. Irgendwie schien es fast zu leicht. Vor dem Eingang wuchsen die Gräser besonders hoch, so daß sie ihre Tiere dort grasend stehenlassen konnten. Aber es war kein Eingang wie sie ihn erwartet hatten.

Es war nur der Eingang zu einem Höhlensystem.

In diesem Höhlensystem trennte sich Barnabas kurzerhand von ihnen, und schien sie in eine Falle gelockt zu haben, denn der Eingang war magisch verriegelt. Hinaussehen war möglich, aber nicht hinauszutreten.

War alles nur eine Finte gewesen?

Es war noch viel schlimmer, als sie es sich vorgestellt hatten.

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In diesem Höhlensystem trafen sie auf wunderliche Gestalten, die einem Panoptikum entsprungen zu sein schienen. Sie stellten ihnen viele schwere oder auch absurde Rätsel, die selbst als Lösung wieder nur einen Teil eines neuen Rätsels hatten.

So waren selbst die Lösungsstücke nicht immer gleich als das einzuordnen, was sie tatsächlich waren. Doch dies war noch eher vergnüglich, wenn man bedenkt, was später noch auf sie zukam.

Wie in Trance wanderte sie durch die einzelnen Gänge, während ihr Geist von verschiedensten Erscheinungen heimgesucht wurde, die in ihrer Substanz nicht rätselhafter sein konnten als alles andere hier.

Das größte Rätsel tat sich ihnen auf, als sie glaubten, das letzte Rätsel gelöst zu haben. Ein Tor. das sie nicht zu zerstören vermochten, konnten sie durch verschiedener. Schließzylinder öffnen. die sie gesammelt hatten. Dort erwartete sie ein Gnom, der eine gefüllte Tafel mit feinsten Speisen darbot.

Über die bisher geschehenen Ereignisse mißtrauisch geworden, wurden sie ihm gegenüber aggressiv, was in einem kurzen Kampf ausbrach. Es war ein ungleicher Kampf, der einem - vielleicht - unschuldigen Helfershelfer das Leben kostete.

Als die Wut verraucht war, erlebte sie während ihrer nächsten Meditation den Kampf einer Gruppe, die wohl vor langer Zeit vor ihnen hier eingekehrt war. Es waren gut aufeinander eingespielte Krieger und Zauberer, die von einer einzelnen Person niedergemetzelt wurden.

Verwirrt über diese Eingebung sprach sie mit Jana darüber. Alsdann berieten sie in der Gruppe, was denn zu tun sei und hielten sich bereit für die durch die Stunde, an der sie aus diesem Zimmer abgeholt werden sollten, Sie wollten nun endlich wissen, woran sie sind und was sie hier eigentlich sollten.

Der Fund der Schriftrollen, den sie hier gemacht hatten, war schon längst nicht mehr Thema dessen, warum sie hier waren. Dieser Barnabas hatte sie in eine ausgeklügelte Falle gelockt und es war nicht festzustellen, warum er dies getan hatte.

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Als sah die von ihnen bisher nicht durchschrittene Tür pünktlich zur angekündigten Zeit öffnete brach die Entrüstung und der Ha8 aus ihnen heraus, der sich in der Zeit dort unten in Ihnen breitgemacht hatte.

Es stand ihnen genau jener gegenüber, den Maraka In ihrer Vision gesehen hatte. So hielt man sich zurück und hörte sich an, was hier passierte.

Sie wurden in einen diabolischen Wettstreit verzettelt!

Verschiedenste Gruppen von Abenteurern waren hier versammelt und sollten sich gegenseitig abschlachten, damit irgendwer anders seinen Spaß daran haben könnte. Jeder hatte eine Gruppe (wahrscheinlich auch unfreiwillig) ausgesucht, die hier antreten sollte.

Es wurde eine Hetzjagd in einem Labyrinth, das jederzeit einem von ihnen das Leben hätte kosten können. Jedoch schafften sie es durch Überredungskunst bei der ersten Gruppe, die sie antrafen, daß sie sich nicht gegenseitig wie die Tiere abschlachteten. Sie verbündeten sich sogar für die Dauer diese unfreiwilligen "Wettkampfs" mit ihnen, jedoch gelang dies nicht bei den nächsten, die sie trafen.

Maraka bedauerte, daß sie zu dieser Zeit nicht ihre magischen Fähigkeiten einsetzen durfte, aber Kairans Wille war es, daß sie diese Prüfung ohne die Zauberkunst besteht.

So war der Kampf mehr durch andere entschieden worden, als daß sie dort irgendwie hätte großartig helfen können. Zum Glück gab es keinen Toten auf ihrer Seite, jedoch war diese Belastung für die arme kleine Kassi wirklich ziemlich viel.

Sie mußte viele beruhigende Gedankenströme nutzen, damit der Geist des kleinen Kindes keinen bleibenden Schaden durch diesen grauenhaften Anblick erhielt. Wahrscheinlich wußte Jana noch nicht einmal, wieviel Maraka in diesem Moment für die Kleine getan hatte.

Um so mehr schmerzte es sie, daß sie Kassi nicht in die Lehre Kairans einweihen durfte. Es wäre ein so dankbarer Geist gewesen. Aber Jana war partout dagegen.

Doch dies sollte sie in dieser Situation nicht mehr so sehr ablenken. wollten sie endlich die Verantwortlichen für diese makabre Veranstaltung zur Rede und zum Kampf stellen.

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Stunden nach diesem Ereignis war die Wut in ihnen extremen angestaut, als sie endlich die Tür zu einer gewaltigen Höhle aufstießen. In dieser riesigen Halle waren verlassene Gebäude. in denen sich noch der ein oder andere Schatz fand.

Aber nicht alle Schätze waren freundlich, denn eine Tafel hätte ihnen einen tödlich gefährlichen Gegner heraufbeschworen, wenn ihre Intuition sie nicht gewarnt hätte, die Teile zusammenzufügen.

Im größten der hiesigen Gebäude wurden sie bereits erwartet. Eine handvoll Herren, alle wie Barnabas gekleidet, erwartete sie dort, so wie sie auch die anderen Abenteurer dort erwarteten. Wie ein göttliches Gericht standen sie auf ihrem Balkon und bestimmten Sieger und Verlieren des Wettstreits, wobei nicht die Gruppe, sondern der Bringer der Gruppe derjenige war, der gekürt wurde.

Barnabas schien als Verlierer dort zu stehen, weil sich seine Gruppe nicht seinem Willen gefügt hatte. Maraka sah dies als eindeutiges Zeichen dafür, daß selbst gottähnliche Kräfte niemanden über den anderen erheben.

Leider kamen sie nicht dazu, sich f0r die Schmach zu rächen, denn sie wurden einfach wieder an den Eingang der Höhle zurückbefördert, nachdem sie sich verbal Luft verschafft hatten.

Es war eine niederschmetternde und deprimierende Erfahrung.

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Als sie zum Weg zurückgekehrt waren, wurden sie von einem vorwitzigen Halbling attackiert. Beinahe hätten sie ihn getötet, wenn sie nicht früh genug festgestellt hätten, daß sein Geist verwirrt worden war.

Er hatte In Sczaradis Mund geblickt, und dieser Anblick, vor dessen Erinnerung sein Geist eine mächtige Mauer gezogen hatte, war wohl so schrecklich gewesen, daß er für kurze Zeit nicht mehr Herr seiner Sinne gewesen war.

Karidis, wie er sich nannte, war von einem einnehmenden Wesen, das konnte Maraka bereits bei dem ersten Kontakt feststellen. Das, was sie bei ihm spürte, hatte sie bisher nur bei Leuten festgestellt, die anderen ihren Besitz neideten.

Von diesem Tag an, achtete sie darauf, daß er niemals allein bei ihren Sachen blieb.

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Kurz vor Sonnenuntergang sahen sie aus dem Wald heraus den Schein eines Feuers, der von einer Lichtung durch die Bäume zu ihnen schien. Auf der Lichtung saß ein großer, unvorstellbar gut gebauter Mann, dessen Kleider vom Wetter gegerbt aussahen. Sein Gesicht war von einem dunklen Vollbart geziert und seine dunklen Augen schauten traurig in das Feuer vor ihm. Neben ihm lag ein Silberwolf auf dem Laub, den er mit beiläufigen Bewegungen kraulte. Es war keine Waffe oder sonst eine Ausrüstung bei ihm zu sehen, und sein braunes Haar sah aus, als vertrüge es doch mal langsam eine Wäsche und einen neuen Schnitt. Er schaute Warakas an und sprach:

"Du bist der rechte Mann am rechten Ort. Ihr müßt auf die andere Seile wechseln, wenn die Zeit gekommen ist und Mutter zu sich selbst zurückführen, denn sonst werden schlimme Dinge passieren. Außerdem ist meine Gefährtin ebenfalls nach drüben gelangt und wurde ihrer Identität beraubt. Ihr könnt hinübergelangen, ohne daß es auffällt, denn ich selbst kann nicht unbemerkt hinübergehen. Ihr seid also dort auf euch allein gestellt.

Diese Speise gebe ich Euch, auf daß sie Euch für den Weg, den ihr vor Euch habt, nähren und stärken soll, jedoch ist noch keine Eile gebeten, da dieser Weg hier noch versperrt ist und nicht ohne Schaden passiert werden kann. Allerdings nehmt jeden Tag einen Löffel der Speise zu Euch, bis der Tag eintritt, an dem Kiario sein volles Gesicht zeigt und Vernio seines von der Welt abgewandt hält. In dieser Stunde steht das Tor offen und Sczaradis Atem kann euch nichts anhaben. Bis ihr zurück seid, wird Euch mein treuer Freund zur Seite stehen. So wünsche ich gutes Geschick. Lebt wohl und lang. aber verpaßt die Stunde nicht an jenen Ort zu treten durch den Sczaradis Atem fließt.

Nach Eurer Rückkehr wird es Euer Schaden wahrhaftig nicht sein."

Mit diesen Worten löste er sich in einen Nebelschwaden auf, der von einem kurzen Windstoß auseinandergetrieben wurde. Der Wolf lag weiterhin auf dem Boden, und das Feuer knisterte vor sich hin. In dem Topf blubberte eine gelierte Masse, aus der nicht mehr zu erkennen ist, welche Dinge denn zu dieser durchsichtigen braunen Substanz vermengt wurden. Darin steckte ein Holzlöffel und an der Stelle, an der Sirrem gesessen hatte lag ein Lederfutteral, das doppelt mit Bauch- und Schulterriemen gesichert war (9 Lederröhren in zwei Reihen zu je 5 bzw. 4 Röhren zusammengenäht; jede Röhre mit eigenem wasserdicht schließenden Deckel; in zwei Röhren je eine aufgerollte Schriftrolle (2 X Fluch brechen). Unterhalb dieser ledernen Tasche lag in ein Tuch gewickelt eine reich verzierte goldene Pfeilspitze, die an einer goldenen Kette hing. Auf dem Tuch war in der Sprache der Elfen geschrieben: "Meine Wertschätzung gilt dem, der seiner Heimat entrissen wurde."

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Ratlos blickten sich alle an, und keiner wußte genau etwas mit dem hier geschehenen anzufangen. So entschlossen sie sich, den Worten Sirrems zufolge, erst einmal die Zeit für sich arbeiten zu lassen und die letzten zwei Tagesreisen bis Isdarae fortzusetzen.

Dort brachten sie dann - gegen genügend "Argumente" - in Erfahrung, wie das Gesagte zu deuten war. Sie wußten, daß der Zeitpunkt, der gemeint war, die Konjunktion von Vollmond Kiario und Neumond Vernio gemeint war. Und dort erfuhren sie dann, daß am Den-den-motaia (20.1.) jeden Jahres zur 9. Stunden die Konjunktion stattfindet.

Daraus schlossen sie, daß sich an diesem Tag ein Tor in der Nähe dieser Schlucht öffnen würde, die sie in die dunkle Unterwelt führen würde. Und zu diesem Tor würde sie bestimmt dieser Silberwolf leiten, wenn es an der Zeit ist.

So stürzten sie sich in das Stadtleben Isdaraes

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Gleich am ersten Tag kleidete sich Maraka neu ein, was ihr Aussehen deutlich erwachsener erscheinen lassen sollte. Ihre Hoffnung auf Warakas war durch sein betont nettes Verhalten in der letzten Zeit wieder aufgeflammt, wurde jedoch jäh von ihm zerstört, als er mit einer Fremden mehrere Tage zusammenblieb und man ihn nur noch ab und zu aus der Ferne sah, wenn er mit ihr Arm in Arm (oder noch enger) die Straße entlang ging.

Gleichzeitig mußte sie versuchen, ihre "Kinder" etwas erwachsener zu kriegen. Xaniyamkixei weigerte sich beharrlich dagegen, seinen Lendenschurz gegen Hose und Hemd zu tauschen. Es kostete viel Überredungskunst, ihn zumindest innerhalb der Stadtmauern diese Kleidung tragen zu lassen.

Außerdem war Jana trotz Ihrer Tochter anscheinend völlig auf dem unaufgeklärten Ast der Evolution stehengeblieben. Es war ihr unerklärlich, wie Jana ein Kind zur Welt bringen konnte, wo sie keine Ahnung von Männern zu haben schien. Sie bestand fest auf ihrem Standpunkt. daß Mann-Menschen und Frau-Menschen zwei verschiedene Rassen seien.

Irgendwann gab sie auf, Jana dies erklären zu wollen.

Maraka selbst machte sich mit der Stadt vertraut, und fand auch eine Stelle als Weberin, wo sie zumindest einen Teil der Ausgaben für sich und den Wilden (Xaniyamkixei) wieder hereinbringen konnte. Selbst Kassi, für die man einen Platz in der hiesigen Tempelschule für die Zeit, die hier zu verbringen war, gefunden hatte, hatte sie immer wieder am Hals.

So lieb die Kleine auch war, so sehr konnte sie ihr manchmal auch auf den Keks gehen.

Da war es Glück, das Jana eines Tages an dem öffentlichen Aushang eine Sklavin zum Verkauf entdeckte. Ihr Ehrgefühl und ihre Überzeugung, daß niemand als Eigentum des anderen leben durfte, trieben sie dazu die Junge Elfin Julia einzukaufen, um Ihr die Freiheit zu schenken.

Aus Dankbarkeit darüber, ließ sie es sich nicht nehmen, in Janas Dienste zu treten, um auf die kleine Kassi aufzupassen, wenn ihre Mama nicht zu Hause war. Allerdings lies sich Jana nicht nehmen, sie für ihre Dienste zu entlohnen. So entwickelte sich eine neue Freundschaft.

Julia erzählte ihnen, wie sie zur Sklavin wurde, und es war eine rührselige Geschichte, das mußte man zugeben. Maraka liebte für ihr Leben gerne Geschichten. So schloß sie Julia freundschaftlich in ihr Herz. Leider schien auch Warakas nur noch Augen für sie zu haben, nachdem er von seiner anderen Liebschaft in das angemietete Haus zurückgekehrt war.

Aber mittlerweile hatte sich Maraka damit abgefunden, daß er nicht der Richtige war. Vielleicht würde sie ihm ja noch begegnen?

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So verging eine lange Zelt, die sie in der Stadt verbrachten. Das Frühjahr brach an, und es wurde Zeit aufzubrechen. Mittlerweile konnte man auch deutliche Fortschritte bei Xaniyamkixei bemerken, der ein bißchen von der Gemeinsprache Tanrainika und auch ein paar gebrochene Worte des gelfischen Xetraxan gelernt hatte.

Er hatte sich mit einem unglaublichen Eifer bemüht, ihre Lehre in sich aufzusaugen, und mit jedem Tag wurde seine Sprachgewandheit besser. Er war wie ein Kelch, der nur darauf wartete, mit dem passenden Wissen gefüllt zu werden. Es machte Spaß, ihn in seiner Nähe zu haben. Dieses Gefühl entsprang einer bereits stark ausgeprägten Freundschaft, die Maraka und Xaniyamkixei verband.

Sie ahnte nichts von dem göttlichen Eingriff, der ihr Leben nachhaltig verändern sollte. Sein Geist war wirklich ein Kelch, doch nicht ihr oblag es dieses Behältnis bis zum Rand zu füllen. Sie würde zwar von dem süßen Wein kosten, aber einschenken würden ihn andere.

Nach zwei Daoi erreichten sie die große Spalte der Finsternis. Bis zur Konjunktion mußten sie noch auf den nächsten Morgen warten.

Gegen abend, sie hatten Ihr Lager bereite aufgeschlagen, hörten sie nicht weit entfernt seltsame Geräusche und der Schein eines Feuers leuchtete fahl zwischen den Baumstämmen hervor. Nur wenige Meter weiter hatte sich eine zweite Gruppe eingefunden, denen Sirrem ebenfalls begegnet war.

Sie stellten sich als Kara, Elder und Donay vor, die aus dem fernen Süden - den Vulkanbergen - hierher gereist waren. Ihnen war offenbart worden, daß die Göttin Zoltar ebenso wie Mielikki Opfer einer Götterintrige geworden war, und ihr Selbst verloren hätte.

Kara, so stellte sich heraus, war eine Drachenreiterin, und ihr Drache war ein sehr gewaltiges Tier. Maraka betrachtete das Tier mit der Ehrfurcht, die man empfindet, wenn man ein Geschöpf sieht, daß die eigenen Vorfahren zur Kriegsführung hochgezüchtet hatten. Selbst das Xetraxan war von diesem Geschöpf noch in der Urform gesprochen, so wie es in Gelfin ebenso unverändert erhalten geblieben war.

Aus dem Gespräch mit Moxtroosczan erfuhr sie, daß In den Vulkanbergen ein gewaltiges Volk der Drachen lebte, die immer wieder FIüchtende aufgenommen hatten, die mittlerweile ein Dorf tief Im Fels der Berge bewohnten. Auch waren sie auf der Suche nach der Halbgöttin "Sinhara", denn sein Volk gehörte noch zu den alten Bewahrern Galins,das schon in wenigen Kaolei durch die Gnome aus dem Wehland bedroht sein könnten, wie ein kristallener Drache weisgesagt habe.

Ein Staubdrache soll sie sogar schon gefunden haben, doch sie sei ebenfalls nicht mehr sie selbst. Erst müsse sie zu sich finden, bevor sie wieder ein Heer von Drachen anführen und die Wehländer zurückdrängen könnte. Gelfin würde dann zu einem neuen Ruhm aufsteigen, Jedoch sollten sie sich bereit halten für diesen Tag.

All dies schrieb sie auf ein Pergament in ihrem "Immergrünpostfach" nieder und schrieb die Anweisung dazu, daß ihrem Vater dieser Brief weitergeleitet werden sollte (Zur Bekräftigung Ihrer Aussagen schmolz sie eine Haarsträhne mit Wachs auf das Pergament), damit Ihr Vater weiß, was auf das Volk der Gelflinge zukommen wird.

Sie selbst versprach dem Drachen. daß sie ebenfalls nach der alten Legende Sinhara Ausschau halten würde. Als Dank dafür erlaubte er ihr Kontakt mit seinem Geist aufzunehmen, so daß sie ihn jederzeit erreichen könnte, wenn sie etwas Neues hörte. Und sie erlaubte seinem Geist, ihre Schranken zu überschreiten, so daß er Ihr mitteilen könnte, wenn für ihr Volk ein relevantes Ereignis eintreffe.

Von den Geeprächen, die die anderen miteinander führten, bekam sie nichts mit. Jedoch schien auch nichts weiter wichtiges gewesen zu sein, denn Jana erzählte Ihr keine weiteren Details über die Fremden.

Andererseits behielt sie das Gespräch mit dem Drachen ebenso für sah, wie die Visionen, die sie im Berg der Prüfungen hatte. Vielleicht empfand sie dies einfach als zu persönlich, als daß sie jetzt schon mit ihr darüber reden könnte. Später würde sich bestimmt eine Gelegenheit ergeben.

So warteten sie alle auf den herannahenden Morgen in dem sich das Tor öffnen sollte.

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Nebelschleier ließen die ersten Sonnenstrahlen nur gedämpft zu Boden gleiten. Die Sicht an diesem Morgen war furchtbar, und es würde sich als unmöglich erweisen ein Tor zu finden, wenn sie selbst die Hand vor Augen kaum noch sehen konnten. Einziger Anhaltspunkt war der Kompaß, der sie näher an die Spalte heranführen sollte.

Vorsichtig stocherten sie nach dem Boden, damit sie nicht versehentlich in die gefährlich tiefe Schlucht fallen, wenn sie ihr zu nahe kämen. Doch auch nach über einer halben Stunde, wo sie nach eigener Schätzung schon mitten über der Bodenspalte hätten stehen müssen, waren sie ihr anscheinend noch nicht näher gekommen. Vielleicht liefen sie ja im Kreis und ihr Kompaß wurde fehlgeleitet.

Nach einer weiteren geschätzten Stunde, in der sie versuchten zu ihren zurückgelassenen Pferden zu finden, schienen sie sich völlig verlaufen zu haben, denn sie fanden nicht einmal auf den Weg zurück.

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Langsam begannen sich nun die Nebelschwaden aufzulösen, und Maraka spürte jetzt noch stärker als vorher das Geflüster böser Gedanken. Etwas, das nicht einzuordnen war, passierte hier.

Nur schwer stoben die Schwaden auseinander, und es war schon beinahe mittag, als sich der Nebel nur noch hüfthoch über den Boden schlängelte. Gemeinsam versuchten sie den Weg wiederzufinden, jedoch schienen alle die Orientierung verloren zu haben.

Auch die neuen Bekannten, die mit ihnen am Morgen losgegangen waren konnten sie nirgendwo entdecken. Lautes Rufen brachte nur das ferne Geheul eines Wolfrudels zur Antwort.

Selbst die Bäume wirkten bedrohlich. Sie waren nicht mehr an dem Ort, wo sie sich noch heute morgen befanden. Ein Flug brachte dann die entgültige Gewissheit über ihre Vermutung. Es waren keine zu ihrer Karte passenden Gegebenheiten zu erkennen. Flüsse, Berge, Städte und Wege waren nicht darauf wiederzuerkennen. Selbst Sczaradis Mund war nirgendwo zu entdecken.

Der Nebel war das Tor!

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Maraka erinnerte sich an eine Erzählung, die sie in einem der großen Märenbücher gelesen hatte:

Es war einmal ein Gelfling in güldener Rüstung. Sakear war sein Name, und er war der erste Sohn der Erstfrau des Königs des Mittelreiches, Erbe des Throns.

Sein Vater lag im Sterben, doch er wollte dies nicht hinnehmen. So nahm er sich vor, zu dem magischen See reisen, denn das Wasser soll Sterbenden das Leben wiederschenken.

Doch auf seiner Reise war er durch Unachtsamkeit von dem Nebel überrascht worden und sein Vater wartete vergeblich.

Jahrzehnte vergingen, als zu dem zweiten Sohn des Königs des Mittelreiches, der nun Königswürden trug, ein alter Mann kam.

Seine Kleidung war verschlissen, seine Augen blind, sein Körper seit langem verdorrt und seine Stimme geborsten. Und doch stand er vor dem König er hauchte mit letztem Atem:

"Hüte Dich vor dem Nebel!"

Ihr schauderte, wenn sie darüber nachdachte. Sollte sie dies den anderen erzählen? Sie versuchte es, doch sie waren so undankbare Zuhörer. Keiner wollte ihrer Erzählung lauschen.

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Am späten Nachmittag erreichten sie eine Ansammlung von Häusern in der Nähe der Felder, die sie aus der Luft gesehen hatte. Sämtliche Läden waren verriegelt und niemand wollte ihnen öffnen.

Gerade jetzt wurde ihr wieder bewußt, welche Feindseligkeit dieses Land ausströmte.

Selbst lautes Schreien und Klopfen brachte niemanden in den Hütten dazu, ein Lebenszeichen von sich zu geben, aber dennoch konnte man spüren, daß jemand dort zu Hause war.

Während sie also versuchten, sich bemerkbar zu machen, um mehr über ihren derzeitigen Aufenthaltsort zu erfahren, schlich sich langsam die Finsternis der Nacht heran. Und ehe man es sich versah, waren schauderhafte wolfsähnliche Gestalten aus dem Wald herausgestürmt und fielen sie mit blutgierig triefenden Lefzen an.

Die folgenden Ereignisse hat Maraka nur noch undeutlich in Erinnerung. Sie wußte noch, daß sie die Wölfe in die Flucht geschlagen hatten, jedoch war der Preis durch Janas Unachtsamkeit viel zu hoch. Ihr mächtiger Zauber, den sie ihr später unter dem Namen Melfs magische Meteoriten nannte, hatte in einem verfehlten Einsatz das strohene Dach des Hauses, auf das sie alle zurückgewichen waren, entflammt!

Jetzt konnte man zum ersten Mal Leute sehen, jedoch waren diese durch die Hintertür des Hauses geflohen, während einer der wolfsähnlichen Wesen sich nicht beirren ließ und mit übermenschlicher Gewalt durch die Vordertür in das Haus brach.

Noch während dieser Alptraum sich durch das Treppenhaus nach oben grub, flohen sie von dem Dach, wobei Maraka den kleinen Cassi noch sanft zu Boden half.

Der letzte war gerade aus purem Entsetzen vom Dach gesprungen, als das Wolfwesen durch das bereits lichterloh brennende Dach brach, von wo er sich mit schauerlichem Wutgeheul zurückzog. Mit brennendem Fell floh dieses Wesen in den Wald, und das Geheul war auch noch nach Minuten zu hören.

Zögerlich kamen die Bewohner des Hauses wieder zurück, jedoch zeigten sie eine unverholene Abneigung gegenüber Maraka und ihren Freunden.

Sie überlegte, wo sie so etwas schon mal erlebt hatte, aber sie kam nicht mehr darauf. Wahrscheinlich war es nicht so wichtig. Noch während sie ihren Gedanken so nachhing, merkte sie, daß sie mittlerweile schon äußerst agressiv beschimpft wurden.

Nackte Angst war in ihren Augen zu sehen, und daran, in ihren Gedanken zu forschen, dachte Maraka in diesem Moment nicht. Noch bevor sie irgendwie eingreifen konnten, waren die Leute bei ihren Nachbarn untergekommen und die Türen und Fenster wieder verriegelt.

Jetzt wollten sie endlich eine Antwort haben! Angesteckt von den bösartig flüsternden Gedanken, verschafften sie sich durch eines der Fenster Zugang in das Haus. Aber auch dort waren sie in einem Zimmer gelandet, aus dem die Leute schnell flohen und es von außen schlossen. Die Türen im Hausinneren waren ungewöhnlich dick, so als sei es hier nötig, auch innerhalb des Hauses ständig für Sicherheit zu sorgen.

Maraka konnte nicht verstehen, daß die anderen so arglos zu Werke gingen. Immer stärker pochten die Worte der alten Erzählung hinter ihrer Stirn, und sie konnte diesen lebenden Toten schon beinahe sehen, wie er vor dem König stand und ihn vor dem Nebel warnte.

In dieser Nacht schlief sie unruhig und ein sehnsüchtiger Traum nach ihrer Heimat und ihrem Prinzen beschäftigte ihre Gedanken.

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Am nächsten Morgen verließen sie den ungastlichen Ort und wandten sich in Richtung der Stadt, die sie aus der Luft gesehen hatten.

Es vergingen einige mühsame Tage, die sie zu Fuß zurücklegen mußten, bis sie vor den Stadttoren standen. In jeder Nacht hatten sie aus der Ferne das Geheul von Wölfen gehört, und Marakas Sinne wurden überströmt von düsteren Gedanken.

Selbst der Rest der Gruppe war von dem schlechten Wetter und vielleicht auch von den Einflüsterungen zermürbt worden. Jeder reagierte gereizt auf den anderen, und abends fanden bedeutend weniger Gespräche am Lagerfeuer statt als sonst. Das Auftauchen der Stadt am Horizont schien die Verheißung gewesen zu sein, auf die sie alle gewartet hatten.

Sie erwarteten eine Oase der Annehmlichkeiten und wurden von der Feindseligkeit der Bürger völlig überrascht. Sie wurden wie Aussätzige behandelt, und nur ein verborgenes Talent Julias ermöglichte es ihnen mit mehreren Leuten zu kommunizieren. Und auch diese ließen sie merken, wie unerwünscht ihre Anwesenheit in der Stadt Harmonia war.

Maraka war doch recht erstaunt, wie eine Stadt mit so melodischer Sprache und ebenso angenehmen Namen ihnen so Negativ gegenüberstehen konnte. Sie konnte sich nicht zurückhalten und forschte im Geist des Passanten, mit dem Julia bereits sprach.

Die Informationen waren erschreckend.

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Gegen abend hatten sie dann durch geschicktes Fragen, daß sie voll und ganz Julia überlassen hatten, jemanden gefunden, der selbst einmal hinzugereist war.

An den Namen konnte sich Maraka später nicht mehr so recht erinnern, aber er war selbst von Tanrain und offenbarte ihnen, daß sie sich im Land Kartakass befanden, das nicht auf Tanrain sondern hinter dem Nebel lag.

Schreckliche Bilder mußte sie verdrängen, die diese Information in ihrem Inneren auslöste, so daß sie erst nach geraumer Zeit wieder mitbekam, was weiter geredet wurde.

So bekamen sie ein paar Tips, wie sie in einem Gasthaus unterkommen würden.

Von diesem Quartier begannen sie, sich täglich in das Stadtleben zu stürzen, was sich in einem raschen Sinken des bescheidenen Vermögens bemerkbar machte. Es dauerte einige Zeit, bis sie die Ähnlichkeiten zum Tanrainika erkannten und zu sprechen - nein - zu singen in der Lage waren.

Langsam begannen sie die Hierarchie der Stadt zu ergründen, und erfuhren, daß die oberste Instanz und Bündelung des Wissens beim "Meistersinger" zu finden waren. Dort, so erhofften

sie sich, würden sie nach einer Audienz mehr über Mielikki erfahren können. Vielleicht hatte er ja Möglichkeiten Informationen zu beschaffen, für die sie viel länger brauchen würden.

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Während dieser Zeit lehrte sie Xaniyamkixei intensiv den Umgang mit ihrer Sprache, und es war ihm anzumerken, daß er mit unglaublichem Ehrgeiz versuchte alles in sich aufzunehmen, was sie ihm beibringen wollte. Bei jedem neuen Wort schien sich sein Geist an ihren Lippen fest-zusaugen und auch noch den Gedanken dahinter aufnehmen zu wollen. Er machte beachtliche Fortschritte.

Beachtliche Fortschritte konnte Maraka auch bei Janas Verständnis der Zusammenhänge von Mann und Frau feststellen. Ein bißchen mußte sie schmunzeln, daß sie eigentlich immer wieder von Mann-Menschen, Frau-Menschen, Mann-Elfen, Frau-Elfen und so weiter sprach. Sie hielt das Wunder der Fortpflanzung für eine große Magie, die gewirkt werden mußte. Selbst ein Buch hatte sie zu schreiben begonnen, wie sie ein Gespräch zwischen Jana und ihrer Schwester Tasha mitbekam. Aber leider waren ihre Fortschritte erst nach...

Nun, wir wollen hier nicht vorgreifen.

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Dieser Tag begann wie die vorhergegangenen, und sie warteten darauf, daß sie in ein paar Tagen die zweite Audienz beim Meistersänger kriegen sollten.

Bei der ersten Audienz hatten sie noch nichts in Erfahrung bringen können, aber er hatte Marakas Reisegefährten, die bei ihm vorstellig geworden waren, unmißverständlich mitgeteilt, daß er gegen einen nicht unerheblichen Betrag bereit wäre, Informationen zu sammeln zu versuchen. Hierfür sollten sie ihm ein wertvolles Gemälde besorgen, was sie bisher jedoch noch nicht erledigt hatten.

Vielleicht würden sie heute ja auch dem Markt fündig werden.

Während sie also so an den Ständen vorbeischlenderten, hörten sie einen Hilferuf, der von anderen Passanten ignoriert wurde. Also faßten sie sich ein Herz und stürmten dorthin.

Der Mann war am Körper mit Blut verschmiert, aber sie konnte erkennen, daß die Wunden nicht lebensgefährlich waren. Ein Gefangener sei wohl aus seiner Zelle ausgebrochen, und er wurde allein nicht mehr mit ihm fertig. Da auch keine Wachen in der Nähe waren, die ihm hätten helfen können, entschlossen sie sich also kurzerhand, mit ihm in das Gefängnis zu gehen, und dort den Gefangenen dingfest zu machen.

Er lotste sie geschickt in den Keller, wo sich nach ihrem Eintreten plötzlich ein Gitter hinter ihnen schloß.

Er hatte sie ausgetrickst!

Aber warum sollte er sie hier gefangen nehmen? Leider konnte Maraka nichts mehr von ihm sehen, so daß auch kein Kontakt zu seinem Geist zu schlagen war.

Nach kurzer Beratung erkundeten sie die Räumlichkeit und entdeckten, daß die letzte Tür so aussah, als ob sie von gewaltigen Pranken zerbeult und aus den Angeln gerissen worden war.

Ihren magischen Spion wollten sie einsetzen, um zu sehen, was sie dort erwartete, doch mit einem Mal überschlugen sich die Ereignisse.

Kaum, daß Jana ihre Hände auf die Kristallkugel legte und sich darauf konzentrierte, fing im Inneren der Kugel ein Wirbel aus Licht an zu tanzen und Risse zeigten sich auf der Oberfläche. Zu keiner Reaktion mehr fähig zerbarst sie in einem gewaltigen Schlag aus Energie und Glassplitter, die den nächststehenden gewaltige Wunden zufügten.

Cassi traf es am schlimmsten. So nahe wie sie bei ihrer Mutter stand, traf sie die volle Wucht der magischen Entladung, und ihr kleines Herz versagte seinen Dienst.

Doch zum Trauern wurde ihnen keine Zeit gelassen, denn kurz darauf brach ein gewaltiges behaartes Tier aus der finsteren Zelle hervor, daß mit seinem fauligem Gestank den Flur überspülte, als es blutgierig den ersten von ihnen angriff.

Doch dieses Wesen hatte nicht mit so massiver Gegenwehr gerechnet, denn die ganze Macht von Wut und Verzweiflung trieb ihm entgegen. Es hatte keine Chance auch nur einen zweiten ernsthaften Angriff mehr durchzuführen.

Ein schaler Geschmack lag auf Marakas Zunge. Cassi hatte doch noch das ganze Leben vor sich gehabt!

Sie flehte Kairan an, doch sie erhielt keine Antwort.

Müßig, wie in Blei gegossene Fuhrwerke, bewegten sich ihre Gedanken. Das konnteeinfach nicht sein. Dieses unschuldige Kind durfte nicht tot sein! Nur schwer konnte sie den Schmerz in ihrem Inneren kontrollieren, und salzig schmeckende Tränen rannen über ihr Gesicht.

"Bitte Kairan, hilf. bitte...", flehte sich mit erstickter Stimme.

Doch am Schlimmsten hatte es Cassis Mutter getroffen. Versteinertwar ihr Gesicht! Blanker Haß gegen diesen Menschen, der sie hier hereingelockt hatte, stand in ihren Augen. Sie mußten ihn finden. Er sollte dafür bezahlen!

Nun mußte Maraka zum ersten Mal ihre Fähigkeiten vor den anderen offen zeigen. Die Eisen-stäbe hielten nicht lange stand, und ihr schlechtes Gewissen, daß sie dies nicht schon eher gemacht hatte, flüsterte in ihrem Hinterkopf: "Du hättest sie noch retten können, wenn ihr gleich wieder hier herausgegangen wäret".

Auch in ihr brannte der Durst nach Vergeltung!

Doch sie fanden niemanden mehr, an dem sie diese üben konnten. Der Gefängniswärter war mittlerweile schon verschwunden, so daß sie niemanden hatten, an dem sie ihre blinde Wut hätten auslassen können.

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Der erste Anflug von ohnmächtiger Wut war verraucht, als sie zum Gasthaus zurückgekehrt waren. Dort hatten sie alle sehr schweigsam um den Tisch herumgesessen, und Maraka stocherte unbeholfen in ihrem Essen herum. Irgendwie konnte sie nicht so recht fassen, was passiert war. Und trösten konnte sie Jana auch nicht, das wußte sie.

Noch in dieser Nacht hörten sie die Schreie einer Frau in Not. Doch als sie draußen angekommen waren, war ihr Peiniger schon zu Weit weggelaufen, als daß sie ihn noch hätten einholen können.

Kaum, daß Jana ihre Hände auf die Kristallkugel legte und sich darauf konzentrierte, fing im Inneren der Kugel ein Wirbel aus Licht an zu tanzen und Risse zeigten sich auf der Oberfläche. Zu keiner Reaktion mehr fähig zerbarst sie in einem gewaltigen Schlag aus Energie und Glassplitter, die den nächststehenden gewaltige Wunden zufügten.

Cassi traf es am schlimmsten. So nahe wie sie bei ihrer Mutter stand, traf sie die volle Wucht der magischen Entladung, und ihr kleines Herz versagte seinen Dienst.

Doch zum Trauern wurde ihnen keine Zeit gelassen, denn kurz darauf brach ein gewaltiges behaartes Tier aus der finsteren Zelle hervor, daß mit seinem fauligem Gestank den Flur über-spülte, als es blutgierig den ersten von ihnen angriff.

Doch dieses Wesen hatte nicht mit so massiver Gegenwehr gerechnet, denn die ganze Macht von Wut und Verzweiflung trieb ihm entgegen. Es hatte keine Chance auch nur einen zweiten ernsthaften Angriff mehr durchzuführen.

Ein schaler Geschmack lag auf Marakas Zunge. Cassi hatte doch noch das ganze Leben vor sich gehabt!

Sie flehte Kairan an, doch sie erhielt keine Antwort.

Müßig, wie in Blei gegossene Fuhrwerke, bewegten sich ihre Gedanken. Das konnteeinfach nicht sein. Dieses unschuldige Kind durfte nicht tot sein! Nur schwer konnte sie den Schmerz in ihrem Inneren kontrollieren, und salzig schmeckende Tränen rannen über ihr Gesicht.

"Bitte Kairan, hilf. bitte...", flehte sich mit erstickter Stimme.

Doch am Schlimmsten hatte es Cassis Mutter getroffen. Versteinertwar ihr Gesicht! Blanker Haß gegen diesen Menschen, der sie hier hereingelockt hatte, stand in ihren Augen. Sie mußten ihn finden. Er sollte dafür bezahlen!

Nun mußte Maraka zum ersten Mal ihre Fähigkeiten vor den anderen offen zeigen. Die Eisen-stäbe hielten nicht lange stand, und ihr schlechtes Gewissen, daß sie dies nicht schon eher gemacht hatte, flüsterte in ihrem Hinterkopf: "Du hättest sie noch retten können, wenn ihr gleich wieder hier herausgegangen wäret".

Auch in ihr brannte der Durst nach Vergeltung!

Doch sie fanden niemanden mehr, an dem sie diese üben konnten. Der Gefängniswärter war mittlerweile schon verschwunden, so daß sie niemanden hatten, an dem sie ihre blinde Wut hätten auslassen können.

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Der erste Anflug von ohnmächtiger Wut war verraucht, als sie zum Gasthaus zurückgekehrt waren. Dort hatten sie alle sehr schweigsam um den Tisch herumgesessen, und Maraka stocherte unbeholfen in ihrem Essen herum. Irgendwie konnte sie nicht so recht fassen, was passiert war. Und trösten konnte sie Jana auch nicht, das wußte sie.

Noch in dieser Nacht hörten sie die Schreie einer Frau in Not. Doch als sie draußen angekommen waren, war ihr Peiniger schon zu Weit weggelaufen, als daß sie ihn noch hätten einholen können.

Akriel hieß die junge Frau, die dort unten völlig verstört stand. Mit hastigen, ängstlichen Worten begann sie zu berichten, was passiert war.

Ein bösartiger Holzfäller stellte ihr wohl nach, und sie würde ihn wohl ehelichen müssen, wenn sie nicht das Erbstück ihrer Familie, die "Krone der Soldaten" wiederbekommen würde. Die würde ihr ermöglichen, ihn von ihr fernzuhalten, um ihren Geliebten heiraten zu können.

Mit Akriel verabredeten sie sich in einer Woche in der Stadt Skald im Großen Gasthaus zu treffen, weil sie ihnen versprach, ihre guten Beziehungen zu nutzen, um bei der Suche nach Mielikki zu helfen. Dafür versprachen sie ihr, daß sie ihr die "Krone der Soldaten" wiederholen würden.

Während dieser Schilderungen und Verhandlungen, bei denen sie sogar ein paar Pferde für sich heraushandeln konnten, war es Maraka nicht entgangen, daß Jana deutlich verändert wirkte. Sie konnte es schwer beschreiben, aber ihr war so, als hätte dieses durchscheinende Nachthemd nicht nur ihre Formen betont, sondern sie auf magische Weise verändert. Eigentlich war es sogar überdeutlich, daß ihre Gesichtszüge feiner, ihre Formen ausgeglichener und ihre Bewegungen eleganter wirkten. Sie nahm sich vor, sie eines Tages danach zu fragen.

Im Moment wollte sie davon absehen, denn der Blick, den Jana die ganze Zeit über Warakas zuwarf, schien jeder hier - außer ihm selbst - zu bemerken. So kehrten dann alle recht schnell in ihr Nachtquartier zurück, während Jana ihn überredete noch ein oder zwei Krüge mit ihr zu trinken.

Was danach mit den beiden geschah konnte Maraka eigentlich nur noch ahnen, aber ab dem nächsten Tag war es offensichtlich, daß sie sich wohl von ihm trösten gelassen hatte.

Damit war ihr Traum von Warakas endgültig ausgeträumt.

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In dieser Nacht begannen die Träume.

Wie Visionen kamen die Bilder über sie. Beinahe real war alles, was sie dort sehen konnte. Ein Gelfling, schöner als alle, die sie bisher sah, saß vor einem schön gewachsenen Haus. Die Windstelzen gingen ruhig über den Waldboden, während sich das Gesicht des Gelflingsin das ihres Geliebten Prinzen verwandelte. Es wirkte alles so real hier, und doch konnte sie ihn nicht in ihre Arme schließen.

Warum nur war das Leben so grausam? Sie würde wohl niemals die Liebe eines Mannes finden, der sie als Erstfrau wählt. Ihre ganze Jugend lang war sie von diesem Gedanken schon beseelt gewesen, und je älter sie wurde, desto unwahrscheinlicher schien die Erfüllung dieses Traums.

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Am Morgen berieten sie darüber, ob es wohl wirklich sinnvoll war, auf Akriel zu vertrauen, oder ob sie auf den Tag der Audienz beim Meistersänger warten sollten.

Eine gewisse Unsicherheit machte sich breit, aber weil Akriel nur etwas zurückhaben wollte, das ihr gehört, und der Meistersänger einen unverschämten Lohn gefordert hatte, war die Entscheidung leicht. Sie vertrauten lieber ihr und brachen mit ihren neuen Pferden ein paar Tage später auf.

Der Vormittag war bereits fortgeschritten, als sie über den Fluß nördlich von Harmonia ritten. Der Geruch des frischen Wassers umschmeichelte Maraka. Sie mußte wieder an ihre Heimat

denken. Wie freundlich dort die Gedanken und Gefühle auf sie eingeströmt hatten. Wie der Duft frischen Harzes die Luft erfüllte. Versonnen hing ihr Blick auf einen unbestimmten Punkt, a1s ihr Pony mit einem Ruck stoppte und sie aus ihren Gedanken riß.

Die anderen hatten ihre Pferde angehalten und deuteten auf etwas, das sich mit großer Geschwindigkeit über das Wasser bewegte. Wie ein riesiger Silberfisch, der starr und lautlos über das Wasser glitt, sah dieses gewaltige Ungetüm aus.

Wenigstens 30 Ellen mußte dieses Tier lang sein, schätze Maraka. Es war unheimlich, mit welcher Geschwindigkeit ihnen sich dieses Wesen näherte. Schon war die Entfernung so gering, daß man sehen konnte, wie dieses Wesen aussah, denn zwischen seinem Leib und dem Wasser war fast eine volle Elle Luft!

Es war, als hätte jemand ein Tier in der Waagerechten halbiert und es dann mit Magie konserviert, um es als Fortbewegungsmittel zu nutzen, denn während sie sich noch gebannt von dem Anblick mühsam auf einen Kampf einrichteten, war dieses Wesen bereits auf das Ufer geschwebt, wo es sich niederließ und seinen Rücken teilte.

Es war ein schauderhafter Anblick, der einem das Blut in den Adern gefrieren lassen konnte, doch Maraka war völlig fasziniert, was dort vorging, denn man konnte in seinem Inneren ein humanoides Wesen sehen.

Den Kopf von der Kapuze der seidenen Robe völlig verdeckte, grüßte es sie in fließendem Tanrainika: "Hallo! Entschuldigt bitte, wißt ihr, wo ich hier bin?".

Verwirrt waren sie nun alle. Wer war dieses Wesen, daß hier die Gemeinsprache so fließend sprechen konnte? Das folgende Gespräch lieferte ihnen auch nicht mehr Informationen, als sie vorher schon hatten. Der Fremde mit der grellen Stimme schien selbst nicht zu wissen, wo sie hier waren.

Auch er sprach von dem Nebel, in den er gekommen war, bevor er die Orientierung verlor.

Maraka fröstelte es.

Doch dies war noch nicht der schlimmste Schock an diesem Tag, denn als er den eindringlichen Bitten sein Gesicht zu zeigen nachkam, war sie sofort an die alten Geschichten, die lebendigen Erinnerungen ihrer Rasse, erinnert worden.

Er war ein Dämon aus den Tiefen!

Und dennoch schien er ihnen den Hilflosen vorzuspielen. Maraka forschte augenblicklich in seinem Geist und fand nichts weiter vor, als die Unwissenheit und Verwirrtheit, die sie selbst empfanden. Auch fand sie keine bösen Absichten in seinem Geist, obwohl die alten Erzählungen solch ein Wesen als das bösartigste aller Unwesen beschrieben.

Heftige Diskussionen brachen aus, denn einige wollten ihn sofort töten, während Maraka der Eingebung ihres Gottes vertrauend ihn als harmlos bezeichnete. So einigten sie sich, ihn zu ignorieren, solange er ihnen nichts antut.

Eilig machten sie sich wieder auf den Weg, doch nach nicht einmal einer Stunde hatten sie dieses riesige verzauberte Wesen wieder hinter sich. Alles ignorieren half nichts, denn plötzlich flammten seine Augen in einem grellen Licht auf, so als ob es sie mit kaltem Feuer versengen wollte.

Es ging alles verdammt schnell.

Maraka machte einen beherzten Sprung durch die Dimension des Raums und griff den Dämon in seinem Rücken an, während Rudger mit seiner Streitaxt versuchte das riesige Wesen in dem der Dämon reiste zu verletzen.

Gerade noch rechtzeitig konnte Maraka dem sich schnell schließendem Rücken entgehen, ansonsten wäre sie in seinem Inneren gefangen gewesen, bis sich ihre Kräfte wieder regeneriert hätten.

Und das riesige Wesen zog sich zurück, so daß sie in der nächsten Zeit erst mal nichts mehr von ihm sahen.

Nur wenige Stunden später hörten sie verhaltenes Schluchzen unweit des Wegs. Dem Geräusch folgend fanden sie eine ältere Frau, die an einem frisch zugeschaufelten Grab saß und bitterlich weinte. Gebrochen verstanden sie, daß sie ihren Sohn verloren hatte, als er sich gegen die nächtlichen Übergriffe der Wölfe hatte wehren wollen. Sie hatten nur noch seine Reste am nächsten Morgen gefunden und hier begraben.

Beherzt versicherten Maraka und ihre Freunde ihr die Hilfe gegen diese finsteren Übergriffe.

So wurden sie von der Bäuerin in ihre Haus geladen, um dort zu nächtigen.

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Leider hatten sie alle einen gemeinsamen Raum, in dem sie schlafen sollten. Aber an schlafen konnte Maraka nicht denken, bei dem, was sich hier abspielte.

Zum ersten Mal konnte sie sehen, was mit Jana passierte, als sie das durchsichtige Nachthemd anzog. Es war keine Sinnestäuschung gewesen, als sie vor ein paar Tagen im Gasthaus dachte, sie hätte verändert gewirkt. Es ging eine Verwandelung mit ihrem Körper vor. Haut straffte sich, Formen veränderten sich, Gesichtszüge wurden feiner und sie wurde zu einer bezaubernden Schönheit.

Doch dies war nicht die einzige Veränderung. Sie war auch eine bezauberte Schönheit geworden. Ihr Gesichtsausdruck hatte sich merklich verändert, und Maraka sah, mit welchem Blick sie Xaniyamkixei und anschließend den neben ihr liegenden Warakas musterte, bevor sie ihre Hemmungen fallen lies, und ihn nach allen Regeln der Verführung vernaschte.

Interessiert war Xaniyamkixeis Gesichtsausdruck, wie er die beiden eine Zeit lang beobachtete, das konnte Maraka erkennen.

Sie selbst mußte ihn dabei beobachten. Sie sah die feinen Tropfen aufgeregten Schweißes auf seiner Stirn, das unverholene Interesse an den Geschehnissen. Sie sah, wie sich seine Männlichkeit klar unter dem Lendenschurz abzeichnete, und sie selbst ertappte sich bei dem Gedanken, daß sie ihn zum ersten Mal nicht mehr wie ein großes Kind betrachtete, daß sie zu pflegen hatte und blickte schnell weg, damit er ihren Blick nicht erhaschen konnte.

Ihr Atem brannte in ihrem Hals, und die Luft kam ihr völlig verbraucht vor. Bereits zum zweiten Mal ertappte sie sich dabei, wie ihr Blick wieder an seinem Körper festklebte. Wenn er doch nur ein Gelfling wäre!

Oder wenn wenigstens sein Geist sich ihr öffnen könnte.

Sie konnte nicht der Versuchung wiederstehen, und schloß die Augen, um mit ihrem Geist in völligem Kontakt mit Jana zu verschmelzen. Vorsichtig, so daß sie nicht bemerkt werden sollte,

legte sich ihre innerste Schale in den von Lust geschüttelten Körper von Jana. Und während ihr eigener Körper wie im Tiefschlaf auf den Boden sank, genoß sie einige Minuten der Hemmungslosigkeit, die Janas Geist umspülte.

Beinahe wäre sie selbst davon angesteckt worden, doch als ihr Geist wieder in ihren eigenen Körper zurückkehrte, war das übermenschliche Verlangen, daß Jana in ihrem Bann zu halten schien, wieder von ihr abgefallen. Sie konnte sich gerade noch beherrschen nicht wie Jana einfach von ihrer Schlafstätte aufzuspringen, um sich dem nächstliegenden Mann beizulegen.

Nachdem sie sich wieder in der Gewalt hatte, und ihre Augen öffnete, sah sie, wie Xaniyamkixei sich zum Schlafen gebettet hatte, und ihr Blick erforschte jeden Zentimeter seines Körpers. Erst jetzt fiel ihr auf, wie gut er eigentlich gebaut war. Aber auch er wäre nicht der Richtige, denn nie würde ihr Geist in eine Einheit wie unter Gelflingen gelangen können.

So verging die Nacht schleppend, und zwischen den Meditationen schlief sie nur sehr unruhig. Vielleicht war sie auch deswegen eine der ersten, die das Geräusch draußen vernahm.

Ein Schnüffeln, Schnaufen, Schaben. Leise tapsende Schritte, die über den Weg schlichen, um dann von einem furchteinflößenden Jaulen abgelöst zu werden.

Beinahe augenblicklich waren sie vor der Tür und Jana warf ihre verzauberte Münze auf den Boden, und gleißendes Sonnenlicht füllte den Platz vorm Haus.

Zwei Wölfe waren um das Haus herumgeschlichen und schienen keine sonderliche Gefahr auszuströmen, aber dennoch roch es hier ungewöhnlich. Ungläubig, daß zwei Wölfe die einzigen sein würden, die ihnen hier begegnen könnten, streckten sie die Tiere mit roher Waffengewalt nieder, während ein Teil das Haus umrundete, um zu sehen, ob nicht noch mehr dort lauerte.

Und in der Dunkelheit lauerte ein Wesen, dessen gelben Zähne sich danach sehnten, in makellose Haut zu fahren und diese zu verschlingen. Zentimeterlange Klauen, die hofften ihre Beute aufschlitzen zu dürfen, und Muskeln und Sehnen, die bis zum Zerreißen angespannt warteten, um dann mit einem Wutgeheul auf die Arglosen vor dem Haus loszufedern.

Furchtbarer Gestank füllte die Nasen und würgender Ekel über den Anblick schien ihre Gedanken zu verlangsamen. Gleichzeitig sprang der Dämon auch in diese Szenerie und vollführte einen Kampf mit einem gleißenden Stab, der nur die Haare dieses Wesens zu verbrennen schien, aber mehr als fettige schwarze Wolken verkohlten Gewebes entstanden dabei nicht.

Nur jene, die über eine magische Waffe verfügten, hatten diesem Wesen tatsächlich schaden können, und so wurde es ein Kampf, der vie1 Blut auf beiden Seiten fließen ließ.

Erleichtert darüber, diesen ungleichen Kampf überlebt zu haben, holten sie trotz des Fäulnisgestanks tief Luft. Indes kam die gute Frau aus ihrem Haus gerannt und dankte mit Tränen der Freude - und wahrscheinlich auch der Trauer über ihren Sohn, der noch hätte leben können, wenn sie ein paar Tage eher hier vorbeigekommen wären - für ihre Hilfe. Endlich würde Ruhe in der Nacht herrschen, und sie könnte wieder durchschlafen, ohne Angst zu haben, daß Nachts plötzlich dieses Wesen in ihr Haus eindringt.

Ihr Gesicht zeigte blankes Entsetzen wieder, als sie in Richtung der Leichnams blickte. Dies war kein haariges, wolfähnliches Wesen mehr. Es hatte sich verwandelt, und sie erkannte ihren Nachbarn Jaques wieder.

Erst jetzt dämmerte es Maraka richtig. Ein Werwolf! Natürlich! Der Mann war eines jener Wesen, die sie aus alten Sagen kannte. Und wieder klang ein Satz wie der Klang einer Totenglocke in ihrem Geist wieder: "Hüte Dich vor dem Nebel!"

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Fast wäre sie verdattert auf dem Vorplatz stehengeblieben, aber als Jana die verzauberte Münze einsteckte, schreckte sie die schlagartige Dunkelheit aus ihren Gedanken auf.Den Dämon hatten sie wohl anscheinend auch in der Zwischenzeit vertrieben, denn Maraka konnte ihn nirgends ausmachen. Es hatte wohl eine kleine Diskussion gegeben, berichtete ihr Jana später. Jedenfalls hatte sich dieses Wesen wieder zurückgezogen.

Den Kadaver hatte die Frau bereits mit einem alten Sack verdeckt, und nun sprach sie sich darüber aus, daß sie ihnen gern eine Belohnung geben wollte, aber sie doch gar nichts hätte. Aber in dem alten Hof von Jaques sollten sie sich doch einfach umsehen. Als Wiedergutmachung für seine Taten sollten sie seinen Besitz als den ihren ansehen, und dort alles mitnehmen, was sie finden.

Nun, sie nahmen sich vor, möglichst früh loszuziehen, damit ihnen der Dämon nicht wieder auf den Fersen war. Und so deckten sie sein Transportmittel mit einem riesigen schwarzen Tuch ab, welches Jana mittels eines Zaubers beschwor. So sollte er nicht von den ersten Sonnenstrahlen geweckt werden, so daß sie schon Stunden unterwegs sein würden, bevor dieses Wesen wieder aufwachte.

Noch eine gute Stunde vor Sonnenaufgang machten sie sich auf den Weg und taten wie besprochen. Leise entfernten sie sich vom Hof und ritten dann rüber zum Nachbarhof, um dort nach Wertgegenständen Ausschau zu halten.

Und Wertgegenstände hatte dieser Jaques tatsächlich. Neben den Edelsteinen, die Maraka sich einsteckte, fand sie auch eine grob gemalte Karte der Gegend sowie eine Liste mit Namen.

Erst nach über einer Stunde des Suchens waren sie bereits so weit, daß sie nun weiterreisen konnten. Doch vorher mußten sie noch einige Fundsachen bei ihren Pferden verstauen.

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Während sie die Pferde vorbereiteten, hatte sie mit Jana ein Gespräch über diese Vorfälle, jedoch verschwieg sie ihr für's erste ihren Eingriff in ihre intimste Privatsphäre. Die beiden Frauen versuchten sich im Klaren darüber zu werden, wie eigentlich die Beziehung zwischen Warakas und Jana verlief. Gerade Jana schien als Betroffene darüber am unschlüssigsten zu sein, und sie offenbarte Maraka so einige ihrer tiefsten Geheimnisse, bevor sie endlich mit ihren Pferden aufbruchbereit waren.

Maraka beschloß, daß sie ihrer nun richtigen Freundin baldmöglichst beichten würde, was sie in der letzten Nacht außer ihrer Beobachtung noch mitbekam.

Nur wenige Stunden später trafen sie auf ein paar Zigeuner, die an einem Lagerfeuer ein persönliches Fest zu halten schienen. Eine junge Frau mit dunkelbraunen Haar, durch das viele bunte Bänder lose geflochten wurden tanzte barfuß zu der Musik, die von ihren Reisebegleitern gespielt wurde. Ihre Kleidung war in schrillen Farben gehalten, und so begrüßte sie die Herannahenden mit freundlichen Worten.

Durch die Ereignisse der vergangenen Zeit noch vorsichtiger geworden, nahmen sie dann doch das Angebot an, sich an das Feuer zu gesellen. Hier legte sie Jana die Karten, und es war bezeichnend für ihre derzeitige Situation, was die Zigeunerin ihr prophezeite.

An den genauen Wortlaut konnte sich Maraka aufgrund der Ereignisse nicht mehr erinnern, aber es hatte was mit dem zukünftigen Liebesleben von Jana zu tun, und man hätte glauben können, daß diese Frau in die Seele blicken könnte.

Leider wurde die Gemütlichkeit durch den Dämon gestört, der sich zwischen den Bäumen herangeschlichen hatte. Er zeigte sich zwar auch hier wieder einmal nicht angriffslustig, aber dennoch spionierte er ihnen ständig hinterher. Bald schon hastig brachen sie auf, um von diesem Platz bzw. aus der Nähe dieses unheiligen Wesens fortzukommen.

Der Tag neigte sich schon bald dem Ende entgegen. Warakas betete eifrig im Duft der rauchenden Kräuter, bei deren Entzündung Maraka ihm behilflich gewesen war.

Sie hatte ein ungutes Gefühl dabei, sich wieder schlafen zu legen, waren die Visionen in der vorhergehenden Nacht schon ziemlich deprimierend - fast schon blutrünstig - gewesen.

Und dennoch spürte sie ein ungewohntes Kribbeln auf der Haut.

Es war vielleicht einfach schon zu lange her, als daß sie dies sofort hätte erkennen können.

Und so begann diese Nacht wie alle vorhergehenden auch. Maraka legte sich auf ihr Lager und schloß ihre Augen, um sich dem Schlaf hinzugeben.

Doch dieses Kribbeln ließ sie nicht in Ruhe.

Sie öffnete wieder die Augen und hatte Xaniyamkixei in ihr Blickfeld gefaßt. Kindlich schloß sie ihre Augen, als sie sah, daß auch er gerade seine Augen öffnete und in ihre Richtung schaute.

"Was passiert hier?", fragte sie sich still.

Und wieder konnte sie es nicht lassen, ihn zu beobachten. Es war fast wie ein Knistern und Surren. Sie konnte diese Geräusche einfach nicht richtig einordnen. Hier war etwas völlig verändert. Es schien nur einen Moment gedauert zu haben, und alle anderen hatten es nicht gefühlt. Im gerade vergangenen Augenblick war etwas passiert.

Und erst jetzt wurde ihr es so langsam klar, was sie "hörte". Sie hörte, wie ein frischer Geist sich entfaltete. Eine göttliche Macht mußte hier am Werk sein, denn sie konnte deutlich spüren, daß Xaniyamkixei dieser Geist war, der sich entfaltete.

Sie konnte den Blick von ihm nun nicht mehr abwenden, und es störte sie auch nicht, daß er in ihre Richtung blickte, wobei er aber immer verängstigter wirkte.

"Kairan, muß das schlimm für ihn sein! Er beginnt zu sehen!", stellte sie innerlich fest.

Wie ein von tausenden bellenden Jagdhunden in die Ecke getriebener Hase wirkte er, während sie immer stärker spüren konnte, daß sein Geist sich wahrhaft zu dem entwickelte, was den Gelflingen schon in die Wiege gelegt wurde.

Hilfesuchend streckte er seine Hand in ihre Richtung aus.

Mit zitternden Fingern bewegte sich ihre Hand fast wie von selbst in Richtung seiner Hand, wohlwissend um das was geschehen würde, wenn sie sich berührten.

Eine zaghafte Berührung.

Eine Explosion der Eindrücke!

Mit Urgewalt überrannten seine Gedanken die ihren und ihre Gedanken die seinen. Sie konnte sehen, spüren, fühlen, miterleben, mitleiden, nachempfinden, verstehen was er war und was er nie wieder sein würde.

Die Schale seines Geistes war nun gefüllt worden.

Und es war noch mehr. In diesem kurzen Moment der Berührung, die vor Schmerz der Erkenntnis wieder abgebrochen wurde, hatten sie beiden gespürt, was sie füreinander empfanden. In diesem Moment war klar, daß die Prophezeiung sich erfüllen würde. Er war der Hochgewachsene, dessen Erstfrau sie sein würde. Und dennoch empfand sie zugleich Angst und Euphorie, während sie seine Hilflosigkeit spüren konnte.

Ja! Sie konnte es spüren. In seiner Nähe war ihre Heimat. Und so vertraute sie sich ihm erneut an, und faßte beherzt nach seiner Hand.

Sie konnten beiden den Strudel der Gefühle miterleben, und nie fühlte sie sich so sehr durch die Meditationen gestört, wie in dieser Nacht. Doch selbst hierbei ließ sie seine Hand nicht mehr los, so daß sein Geist neben ihr war, als ihrer mit Kairan verschmolz.

Am nächsten Morgen wollte sie sich gar nicht mehr von ihm trennen. Am liebsten hätte sie sich ihm mit allem hingegeben, doch in diesem Land wollte sie kein Kind empfangen. Außerdem wollte sie die Zeremonie der Eheschließung mit ihm durchführen, bevor ein Kind geboren wurde. Alle ihre Kinder sollten mit dem Segen Kairans geboren werden, das nahm sie sich vor.

Und doch war sie sich nicht sicher, ob sie diesen Vorsatz immer einzuhalten in der Lage sein würde. Denn es war noch fraglich, wie lange sie in diesem unheiligen Land sein mußten. Es müßte doch eine Möglichkeit der Rückkehr geben, wenn sie Mielikki hier nicht finden könnten.

Sie würde so gerne sein Volk kennenlernen, aber sie wünschte sich, daß sie ihnen dann auch als Frau und nicht als Kind entgegentreten könnte. Sie hatte zwar alle Veranlagungen, die schöne Menschenfrauen auch haben, aber sie kannte den Geist der Hochgewachsenen. Für sie war sie immer wieder als Kind angesehen worden. Aber dies würde sie wohl nie ändern können.

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Dieser Tag schien endlos und wie im Traum zu vergehen.

Auch in Skald wurden sie mit der Reserviertheit empfangen, die sie bisher überall erlebt hatten, aber Maraka war dies alles egal. Sie sehnte sich danach, daß sie endlich in das "Alte Gasthaus" einkehren konnten, in dem sie sich mit Akriel verabredet hatten.

Dieses Gasthaus selbst strömte über vor schlechten Gedanken, aber vielleicht wollte Maraka dies nicht spüren, oder sie merkte es wirklich nicht. Egal was es war, es wurde ihr und ihren Freunden fast zum Verhängnis.

In der Nacht lag Maraka eng an Xaniyamkixei gekuschelt und genoß seine Nähe und die Wärme die von seinem Geist und Körper ausgingen. Selbst als die schlimmen Visionen wieder in ihrem Traum erschienen, und in denen ein ihm ähnlicher Hochgewachsener sich als bösartiges Wesen darstellte, war sie nicht mehr so sehr gepeinigt wie vorher, denn nun hatte sie jemanden, mit dem sie ihre Ängste teilen könnte. Endlich hatte sie einen gefunden, der sie versteht und bei dem sie sich geborgen fühlen konnte.

Jäh wurde sie aus den Gedanken gerissen, als die Holzvertäfelung mit einem lauten Krachen aus der Wand flog, und sie konnte noch mit dem angefangenen Atemzug etwas von dem Gestank einfangen, der in den Raum geströmt war, bevor sie entsetzt auf den Flur geflüchtet waren.

Ihr war es in diesem Moment egal, daß ihre Bekleidung für andere vielleicht befänglich sein mochte, aber davon ließ sie sich nicht behindern, sondern weckte umgehend Tasha, Jana und Warakas, die nur ein paar Türen weiter ihr Zimmer hatten.

Maraka stellte fest, daß Tashas Pferd nach einer kurzen Rast, die sie alleine einlegen wollte, sehr verschwitzt wirkte. Dennoch wagte sie es nicht, ihre Kraft jetzt dafür aufzuwenden, um zu erfahren, warum dies so war. Sie wollte ihre inneren Kräfte lieber für etwas aufsparen, was hier zu lauern schien.

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In der nächsten Nacht träumte sie jetzt wieder. Es war eine schmerzhafte Erfahrung, denn sie erlebte lebensnah mit, wie sie ihren Gelflingsprinzen nicht mehr halten konnte. Diese Vision stand nun stärker im Kontrast zu ihren Wünschen, die sie seit ihrer Kindheit aufgebaut hatte. Sie hatte ihn geliebt, und dennoch hatte er sie um die Chance der Erstfrau geprellt, als er eine andere zuerst geheiratet hatte. Aber das alles waren so müßige Gedanken.

Unruhig, aber traumlos, schlief sie wieder ein.

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Je näher sie ihrem Ziel Skald ritten, um so mehr konnte sie beobachten, daß Warakas nun auch tagsüber seine Zuneigung offen ausdrückte. Die beiden ritten nun sehr häufig Seite an Seite, wobei sie sich erschreckte, als sie den Gedanken bis zum Ende dachte: genau wie Xaniyamkixei und sie.

Unruhig schaute sie zur Seite in das markante Gesicht des ehemaligen Wilden. Seine Kleidung zeugte zwar immer noch von seiner Herkunft, aber mittlerweile war er kein mitleiderregendes Häufchen Elend mehr. Aufrecht und voller innerer Stärke saß er im Sattel und ritt an ihrer Seite.

An ihrer Seite...

Sie mußte diesen Gedanken mehrmals hin- und herwenden, bis sie sich wieder dabei ertappte, daß sie mehr für ihn zu empfinden begann.

"Ach!", dachte sie sich. "Das sind nur wieder dumme Gedanken, die Deinen Geist vernebeln wollen, wie die Visionen der letzten Tage. Natürlich ist er ein sympathischer Mann, aber der Mann für’s Leben? Ich würde nur unsere Freundschaft kaputt machen, wenn ich mich mit ihm auf irgendwas einlassen würde."

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Sie waren jetzt noch eine Tagesreise von Skald entfernt, und hatten gerade das bewaldete Talgebiet verlassen und konnten weit über die steinige Ebene hinweg ahnen, daß sie dort eine größere Siedlung finden würden.

Warakas offenbarte ihnen, daß er allerdings noch einen Tag hier verbringen müßte, weil es das Fest des Frühjahres begehen müßte. Hierfür müßte er in das Tal zurückkehren und einen Tag lang seiner Göttin, deren Avatar sie hier ja suchten, Opfer darbringen.

Maraka konnte diese Haltung gut verstehen und erklärte sich sofort bereit, die Reise für einen Tag zu unterbrechen, damit er seine Heiligen Handlungen durchführen konnte. Die Einzigen, die schon zu sehr darauf aus waren in die Stadt zu kommen, waren Karidis, Wotan und Rudger, was Maraka aber auch von ihnen wirklich nicht anders erwartet hätte. So trennten sich hier ihre Wege für einige Tage.

Und für Maraka sollte dies ein besonderer Tag werden.

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Doch auch dort wütete nur wenige Momente später ein zweites klauen- und zahnbewehrtes Wolfswesen, das sie zu zerreißen trachtete. Viel hatte sie nicht bei diesem Ungleichen Kampf helfen können, aber die Magie, die sie jetzt noch nicht wieder benutzen konnte, hätte wahrscheinlich auch nicht so schnell geholfen wie die unbändige Kraft, die in dem magischen Artefakt steckte, das Warakas besaß.

Gleißend donnerte ein Ball aus Feuer und Vernichtung, als sein Flammender Bihänder das Wesen traf, und äscherte ein Großteil des Zimmers in Sekundenschnelle ein. Dieses Wesen floh daraufhin aus dem Haus, und Warakas hechtete verzweifelt hinter ihm her um ihn noch zu stellen.

Doch auch das zweite Wesen konnte Tashas Kampfeswut und dem anscheinend auch verzaubertem Schwert nichts entgegensetzen, denn mit einem schmatzenden Geräusch fegte die Klinge den Kopf des Wolfsmenschen von seinen Schultern.

Jedoch war die Gefahr damit noch lange nicht gebannt, denn die unkontrollierte Flammenge-walt, die die magische Waffe ausgespuckt hatte, fraß sich unkontrolliert weiter durch das hölzerne Gebäude. Maraka nutzte gerade noch die Zeit, um in ihr Zimmer zurückzustürzen, und ihre Sachen mit herauszunehmen, bevor sie das Gebäude durch das Fenster verließ.

Schnell streifte sie sich in einer Nebenstraße etwas über und rannte dann wieder zu dem Gebäude, weil sie - ebenso wie die anderen - hoffte, den Kopf des Toten hier unten liegenzusehen, denn sie hatte deutlich mitangesehen, wie der Schädel durch das Glas geflogen war, nachdem Tasha ihn von seinen Schultern abgetrennt hatte.

Andererseits mußten sie auch Warakas suchen, damit er nicht allein gegen dieses Wesen antreten mußte. Maraka spannte erneut ihre FIügel und erhob sich, um die nächtlichen Straßen von oben zu überblicken. Jedoch war bei dieser spärlichen Beleuchtung von Warakas nicht viel auszumachen.

Beinahe hätte sie die Suche schon aufgegeben, als sie einen Lichtblitz auf einem Platz auflodern sah. Sie rief noch zu Jana, wohin sie sich zu halten hatten und flog schon in die Richtung los.

Sie fand einen aus unzähligen Wunden blutenden Warakas, und ihre Heilkräfte konnten gerade noch das Schlimmste verhindern. Nicht weit neben dieser Stelle lag ein völlig verkohlte Körper auf einer rotglühenden Steinfläche, in deren Mitte der Bihänder beinahe bis zum Heft steckte. Nur mit äußerster Vorsicht gelang es Tasha, die ebenfalls herangeeilt war, das Schwert aus der glühenden Masse zu ziehen ohne sich dabei Füße und Hände zu verbrennen.

Noch in dieser Nacht suchten sie eine andere Herberge, die zwar bedeutend schäbiger war, aber sich zumindest als weniger gefährlich erwies.

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Am nächsten Tag versuchten sie dann diese drei Nervensägen wiederzufinden, die schon vor-gereist waren, denn in dem Alten Gasthaus waren sie nicht eingekehrt, und auch hier in diesem schäbigen Laden war keine Spur von ihnen zu entdecken.

So blieb ihnen nur noch die Möglichkeit, die Maraka eh schon seit ihrer Ankunft in Verdacht hatte: die Stadtwache. Dort wollten sie nachfragen, ob man die drei irgendwo gefunden hätte. Nun, die Antworten, die er aussprach waren nicht sehr informativ, aber einer inneren Stimme folgend horchte sie den Geist der Wächters aus, mit dem sie gesprochen hatten und erfuhr, daß die Drei im Verließ eingesperrt waren.

Jana in ihrem naiven Übermut versuchte nun auf die direkte Art jene Leute zu überzeugen, daß sie doch ihre Freunde rauslassen sollten, jedoch kam sie natürlich nicht sehr weit. So zogen sie sich erst einmal wieder zurück und sannen einen Plan aus, wie sie die drei befreien sollten.

Leider fanden sie keine erträgliche Lösung.

So wollten sie morgen nochmal hingehen und um die Rausgabe ihrer Freunde bitten. Jana indes teilte Marakas Auffassung, daß sich so Typen wie Karidis zu recht im Kerker befanden. Doch Rudger wollten sie nicht hier zurücklassen. So engstirnig zwergisch er auch war, sie konnten ihn nicht im Stich lassen. Die anderen beiden waren Maraka ebenfalls ziemlich egal, aber auch sie wollte den Zwerg nicht einem Schicksal überlassen, daß er mit Sicherheit nicht verdient hatte.

So schlief sie mit der festen Überzeugung ein, morgen Rudger - egal wie - rauszuholen.

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Schweißgebadet wachte sie kurz vor ihrer Meditation auf.

Sie hatte schon wieder einen Alptraum gehabt. Allerdings konnte sie die Handlung nicht mehr genau fassen, jedoch hatte es etwas mit dem Gelflingsprinzen und dem schwarzen Hochgewachsenen zu tun. Hatte sie vielleicht ein schlechtes Gewissen, weil sie sich mit Xaniyamkixei eingelassen hatte? Rasch reinigte sie sich und legte ihre klammen Sachen ausgebreitet ans Fußende des Bettes. Mit einem frischen Nachthemd fühlte sie sich gleich wohler, und die anschließende Meditation klärte ihren Geist. Ausgeglichen schlüpfte sie wieder ins Bett und schmiegte sich an Xaniyamkixei an. Sie war froh darüber, daß sie nun endlich jemanden gefunden hatte, der ihre Liebe erwiederte.

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Jäh wurde sie aus dem Schlaf gerissen!

Fast hätte sie mit aller Gewalt ihres Geistes zugeschlagen, als sie Karidis, Rudger und Wotan hier im Schlafsaal stehen sah. Doch als sie die drei erkannte, war sie erleichtert. Sie würden morgen doch nicht bei der Wache vorstellig werden müssen und vielleicht noch Schmiergelder zahlen um die drei zu befreien. Allerdings sah sie zu ihrem Entsetzen. daß der Dämon ebenfalls mit im Raum war.

Ihren Gesichtsausdruck richtig deutend sagte Karidis: "Keine Panik! Der will uns wirklich nix böses. Der hat uns aus dem Gefängnis rausgehauen. Leider sind alle unsere Sachen auch noch dort..." - "Die müssen wir alle zurückholen!", warf Rudger ein. "Die haben noch mein Gold! Und meine Streitaxt!"

Mittlerweile waren auch die anderen völlig wach und ein aufgeregtes Durcheinander herrschte hier. "Nur gut", dachte Maraka, "daß keine anderen hier im Schlafsaal sind. Ansonsten würden wir wohl rausgeschmissen werden.". Aber dennoch war es mit der Nachtruhe jetzt vorbei.

Mit Sack und Pack verließen sie die Gaststube in den frühen Morgenstunden und machten sich auf dem Weg zur Stadtwache. Resolut forderten sie die Rausgabe der Ausrüstung und Wertgegenstände, die ihren Freunden gehörten, jedoch nahm sich der Wachhabende davon nichts an. Er verhöhnte sie sogar noch, was schnell zu einem heftigen Disput wurde, und plötzlich sahen sie sich doppelt so vielen Wachen gegenüber, wie sie selbst waren. Jana, die auch hier das Wort geführt hatte, war innerhalb kürzester Zeit inhaftiert und als Druckmittel benutzt worden, damit sie sich alle einkerkern lassen.

Mürrisch folgten sie der Aufforderung und wurden in Einzelverließe in den Kerker verfrachtet. Maraka konnte innerlich nur lachen. Als ob ein paar Mauer ein Hindernis wären. Kaum, daß alle eingesperrt waren und die Wache sich nach oben verzogen hatte, ließ sie ihren ätherischen Körper durch den Keller streifen. Recht schnell entdeckte sie einen Schlüssel, der für die Kerkertüren gedacht war. Umgehend holte sie ihren Körper nach und benutzte das Schließwerkzeug, um alle aus ihren Zellen zu befreien.

Göttlichen Mächten sei dank, hatten die Wachen noch keine Zeit gefunden ihnen alles abzunehmen. So waren sie zumindest fähig einen Streit mit ihnen durchzufechten, wenn sich dies nicht mehr verhindern ließ. Sie lauschten auf die Geräusche von oben. Gelächter und ausgelassene Stimmung herrschten dort. Dürftig hörten sie heraus, wie darüber gewürfelt wurde, wer zuerst zu Jana durfte.

Das war zu viel für Warakas!

Rasch wurde ein Schlachtplan aufgestellt, so daß sie den oder die herunterkommenden bekämpfen könnten. Rasch und leise versteckten sie sich im Dunkel des Kellers und warteten darauf, wer denn nun die steinernen Stufen herabsteigt.

Insgesamt waren es drei, die vergnüglich die Treppe herabkamen und ziemlich schmutzige Reden darüber hielten, was sie mit dem kleinen Albino jetzt alles anstellen würden. Noch ehe sie begriffen, wie ihnen geschah, waren die drei bereits überrumpelt.

Maraka war nicht zimperlich, was den einen von ihnen anging. Mit grausamer Gewalt ließ sie einen Augapfel mit mentalen Kräften aufkochen und zerbersten, was den korrupten Wächter das Leben kostete. Doch auch Warakas und Tasha hielten sich nicht zurück. Mit roher Gewalt brachen sie den anderen Zweien das Genick.

Erst jetzt dachten sie ernsthaft über ihre Situation nach. Über ihnen waren noch fast vierzehn Wachen, die alle eine potentielle Gefahr darstellten. Sie konnten nun nicht einfach die schmale Treppe hochmarschieren und versuchen diese zu stellen. Wotan gab zu bedenken, daß es doch noch das Loch gäbe, durch das sie der Dämon hier herausgeholt habe.

Hastig begaben sie sich in die Zeile mit den zertrennten Gitterstäben und kletterten nach draußen.

Rache war ihr Plan, und guter Menschenverstand nicht mehr ihr eigen. Vielleicht hatte das bösartige Flüstern nun einen Nährboden gefunden? Wie auch immer dieser Plan entstand, sie wollten sich alle ihre Eigentümer mit Gewalt zurückholen. Und dafür war ihnen ihr mächtigstes magisches Hilfmittel genau die richtige Wahl.

Warakas legte den Flammenpfeil auf seine Sehne und erwartete die Wachen vor dem Haupttor, während sich alle anderen in einem Halbkreis aufbauten, um eventuell Flüchtenden habhaft zu werden. Jana sollte anklopfen und sich dann zurückziehen, um aus dem vernichtenden Flam-menkreis herauszukommen, den dieses mächtige Hilfsmittel herausbeschwor.

Doch ihre naive Denkweise brachte sie wieder in eine Diskussion mit den Wachen, als diese die Tür öffneten. Warakas bekam nicht die Chance den Pfeil anzufeuern, weil Jana in einem Anflug von Vernunftversuchte, die Situation doch noch friedlich beizulegen. Maraka bewunderte diese treue Art, die Dinge immer mit einem guten Kern zu sehen, jedoch wußte sie, daß die Eskalation bereits begonnen hatte und sich nicht mehr aufhalten ließ. Ein furchtbares "die oder wir" hatte hier begonnen und würde mit dem Blut vieler enden. Doch als Jana dies auch endlich begriff, daß sich diese Typen auf gar nichts einlassen wollten, war die Distanz schon zu kurz, um den Flammenpfeil noch einzusetzen.

Kurzentschlossen formte Maraka nun die Urenergien der ihr gegebenen Kräfte zusammen, und eine furchtbare Explosion füllte die Luft und hinterließ ein schmerzhaftes Pfeifen in den Ohren.

Auf dem Boden klaffte ein großes Loch von den Gesteinsmassen, die mit Urgewalt hoch und geschoßartig fortgeschleudert wurden. Staub senkte sich langsam, und nur wenige der Stadt-wachen standen noch auf ihren Beinen. Die meisten lagen aus vielen Wunden blutend auf dem Boden und starben.

Doch auch Warakas war dem Zentrum der Explosion zu nahe gewesen. Seine Kleidung hing in blutigen Fetzen von seiner Haut. Er selbst lag röchelnd auf dem Boden, und sie konnte sehen, daß auch er bald sterben würde, wenn keine rasche Hilfe ihm beistünde. Beinahe gleichzeitig wandten sie und Jana ihr heilendes Wissen an, um ihm von dem Übergang in das Tiefen Zuuls abzuhalten.

Als sie nicht noch mehr für ihn tun konnten, als ihm einige Stunden Ruhe zu gönnen, versuchten sie aus dem Haus der Wachen zumindest die Sachen ihrer Freunde herauszuholen. Beißend hing der Gestank frischen Blutes in der Luft, als sie das Haus wieder betraten, jedoch konnten sie nirgendwo die Sachen der drei finden. Als Ausgleich hierfür plünderten sie alles, was sie an Wertsachen finden konnten.

Erst jetzt kamen sie langsam wieder zur Besinnung und stellten fest, daß sie ja quasi am hellichten Tage die Wache niedergemetzelt hatten. Mit quälendem Gewissen schafften sie die Leichen ins Hausinnere und suchten das Alte Gasthaus wieder auf. Hier wollten sie noch einmal nächtigen, bevor sie dann am nächsten oder übernächsten Tag endlich aufbrechen.

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Warakas brauchte noch den kompletten nächsten Tag, bis er zumindest einigermaßen reisefähig war. Diese Zeit nutzte Maraka um für sich ein paar Besorgungen zu machen. So verkaufte sie unhandliche Wertsachen, die sie eh nur belasteten und kauftesich noch ein zweites Tier mit Tragegeschirr und zwei kleinen Truhen hinzu.

Beim Schneider ließ sich sich ein neues Kleid anfertigen, wofür sie einen sehr stolzen Preis zahlen mußte, weil es schon an diesem Tag fertig sein sollte. Und dennoch hatte er gute Arbeit geleistet. Doch sie gefiel sich in dem Spiegel noch nicht so recht. Die Haare - so fand sie sahen aus, wie ein großer Filzteppich. Erst als diese wieder etwas zurechtgeschnitten und mit duftenden Ölen gewaschen und gesäubert waren, fühlte sie sich richtig wohl.

Für ihre Tiere erstand sie ein paar Glöckchen und knotete diese an kurze Lederbänder, die sie locker um jede einzelne Fessel der beiden Tiere band. Diese wohlklingenden Geräusche hatten ihr gefehlt, aber andererseits mußte sie auch an Rascznatar denken, den sie zurückgelassen hatte. Ihr Windstelz war hoffentlich noch nicht Opfer irgendeines Raubtieres geworden. Aber andererseits mußten sie erst wieder zurückkommen, bevor sie sich darüber weiter Sorgen machen durfte.

Früh, noch lange bevor sie aufbrachen, verstaute sie ihre erstandenen Sachen in einer der beiden Truhen. Die neue Kleidung wollte sie auch nicht auf der nun folgenden Reise verschleißen. Den Proviant verstaute sie in der zweiten Truhe.

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Ihr Weg zu dem von Akriel bezeichneten Schlucht, die sie auch auf der Landkarte eingezeichnet fanden, führte sie zuerst wieder zurück nach Harmonia. Dort deckte sich noch Jana mit den letzten Sachen ein, und erstand ein kleines verspieltes Äffchen, daß ihr ein wenig als Ersatz für Cassi diente. Den Verlust hatten sie alle noch nicht ganz weggesteckt, obwohl Maraka manchmal das Gefühl hatte, die Männer würden schon gar nicht mehr daran denken, daß Jana ihre Tochter verloren hatte.

Mit dem Dämon hatten sie sich mittlerweile mit einem befremdlichen Gefühl angefreundet, und sein Gefährt für den Transport größerer Anschaffungen mißbraucht. Er war wohl wirklich nicht so, wie die alten Sagen berichteten. Maraka hatte ja schon bei der ersten Begegnung im Geist dieses Wesens keine bösartigen Gedanken entdeckt, und seit der Befreiung ihrer drei Begleiter war das Vertrauen zu ihm schon ein wenig größer geworden.

Allerdings war er wohl sehr enttäuscht, als sie weiter zu Pferd reisen wollten. Karidis hatte wohl schon eine Fahrt in diesem schwebenden Gefährt hinter sich und wollte um kein Gold der Welt wieder da einsteigen. Maraka zweifelte daran, daß die Summe wirklich so groß hätte sein müssen.

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Mittlerweile hatten die Träume aufgehört, und letztendlich waren die letzten Visionen sehr friedvoll geworden. Die große Prophezeiung der Hochgewachsenen hatte sich wohl bewahrheitet.

Maraka nahm sich vor, die Ehrung ihrer Verbindung nach allen Geboten Kairans vorzunehmen, sobald sie in der Situation waren, daß sie ein volle Kirx für die Zeremonie zur Verfügung hätten. Sie konnte spüren, daß Xaniyamkixei sich unsicher fühlte, denn er hatte gesehen, was es für den Kairandenites bedeutete, wenn er die Zeremonie der Eheprüfung abhielt. Sie würde, da sie diese selbst vollziehen müßte, sehr stark ausgemergelt sein. Beide fürchteten sich davor, daß dies in dieser Welt wohl tödlich sein könnte, wenn man dies durchführen wollte. So mußten sie warten, bis sie wieder zurückkehrten.

Warten ist etwas, das eine junge Liebe schwer vollbringen kann. Nur zu oft hatten beide in der letzten Zeit schon das Bedürfnis aufeinander gespürt, aber seine Zurückhaltung beim Erspüren ihrer Gedanken, daß sie in dieser Welt keinem Kind das Leben schenken wollte, war zum Glück noch groß genug. Doch auch Maraka selbst spürte, wie schwer es für sie selbst war. Immerhin hatte sie einen Mann gefunden, von dem sie meinte, daß er der Richtige war. Sie wußte es, auch wenn sie die Eheprüfung noch nicht vollzogen hatte. Und in jeder Nacht, in der sie sich nahe waren, war die Versuchung wieder stärker als in der vorangegangenen. Im Grunde ihres Herzens war sie sich im Klaren darüber, daß sie nachgeben würde, wenn sein Drängen stärker würde. So war sie froh darüber, daß er ihre dieses Land betreffenden Ängste und Sorgen teilte.

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Von Harmonia aus waren sie flußaufwärts geritten, bis sie zur eingezeichneten Schlucht kamen. ihr Herz schlug schneller, als sie in Richtung der gewaltigen Schneise zwischen den zwei Bergmassiven blickte.

Es war eindrucksvoll!

Und es wirkte bedrohlich.

Sie verscheuchte diesen Gedanken. Alles in dieser Welt hat dunkel, finster und bedrohlich gewirkt. Dies hier würde auch nicht schlimmer sein als das, was sie bisher erlebt hatten. Sie brauchten nur in die Schlucht reiten, die "Krone der Soldaten". holen und wieder zurück zu Akriel bringen. Wenn sie Glück hatten, wußte sie bereits wo Mielikki ist, und in ein paar Tagen wären sie wieder zurück in ihrer Welt.

So viel zur Theorie.

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Sie waren jetzt bereits knappe vier Stunden schluchteinwärts geritten und kamen auf den Schnittpunkt zwischen den beiden Bergmassiven zu. Dort konnten sie erkennen, daß sich die Wände zu einer Gasse von nur wenigen Metern Breite verengten. Vorsichtig näherten sie sich dieser Gasse.

Je näher sie kamen, desto deutlicher sahen sie, daß auf dem Rand der Felswand große Skelette zu sehen waren. Sowohl rechts als auch links von dem Durchgang war jeweils ein riesiges humanoides Skelett auf einem echsenartigen Skelett zu erkennen.

Mit größter Vorsicht, diese beiden Wesen im Auge behaltend, stiegen sie von ihren Pferden ab und näherten sich dem Durchgang zu Fuß, Die Gestalten wirkten unheimlich, aber es war nicht die geringste Bewegung zu erkennen. Sie waren im Zweifel darüber, ob es sich um makabre Statuen oder stumme Wächter handelte.

Unerwartet breitete sich bestialisch stinkender Fäulnisgeruch aus. Hinter den Steinen kamen mit einem lauten Gestöhne halb verrottete Gestalten auf sie zu, die sehr danach aussahen, als ob sie sich schon lange zur letzten Ruhe hätten betten sollen. Sofort versuchte Warakas diese Untoten mit der Kraft seiner Göttin zu verscheuchen. Leider nur mit bedingtem Erfolg. Sie hielten zwar Abstand zu ihnen, aber den Rückzug traten sie nicht an.

Was jetzt folgte, konnte Maraka nur noch als unsauberes Gemetzel bezeichnen. Alle Kämpfer zückten ihre Waffen, und die Szenerie wurde immer schauerlicher. Selbst Teilverstümmelungen hielten diese Untoten nicht auf, aber dafür wurde das Stöhnen immer energischer, und die Angriffe immer hektischer. Maraka hielt sich aus diesem Kampf zurück, denn es war abzusehen, daß ihre Kraft hier noch nicht gebraucht würde. Ein Untoter nach dem anderen wurde seines unheiligen Lebens beraubt, und der Gestank raubte einem fast die Sinne.

Schnell verließen sie den stinkenden, blutenden, faulenden Haufen toter Leiber und gingen in Richtung der Schlucht. Der Dämon mit seinem "toten Schwebefisch", wie sie das Ding nannten, übernahm die Führung zwischen die Steine, und Maraka überkam das Gefühl, als ob die Wände über ihr zusammenbrechen.

Für einen Moment fühlte sie sich wieder in ihre Kindheit zurückversetzt. Damals, als sie in dem Brunnen festsaß und nicht mehr allein herauskam.

Kalter Schweiß rann ihre Strin herunter, während beruhigende Gedanken Xaniyamkixeis auf sie einströmten. Wahrscheinlich wäre sie nie durch diese schmale Gasse gekommen, denn der Schmerz und die Angst, hier zwischen diesen engen Wänden herzumarschieren, waren so überwältigend, daß nur die Kraft, die sie aus seinen Gedanken schöpfen konnte, sie vorantrieb. Sie schloß die Augen, um nicht von dem Anblick erschlagen zu werden, und erst als sie spürte, wie sie wieder einen breiteren Bereich betraten, öffnete sie diese wieder.

Erleichtert atmete sie auf.

Im nächsten Moment stockte ihr Atem!

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Vor ihr erstreckte sich eine Schlucht von ca. 30 m Breite und 60-80 m Länge, in deren Mitte ein gewaltiges Konstrukt aus riesen Knochen aufgebaut war. Doch dieses Knochengefängnis war noch nicht der Grund, warum ihr der Atem stockte. Auch der Gestank, der hier herrschte war es nicht, sondern das, was sie innerhalb der Knochengitter sah! Dort waren viele Menschen in verschiedensten Stadien des Zerfalls gefangen, und einige von ihnen riefen heiser um Hilfe!

Es war ein grauenhafter Anblick.

Und dennoch war etwas seltsam. Die Gitterstäbe allein hätten niemanden an einer Flucht aus diesem Gefängnis hindern können, standen sie doch fast meterweit auseinander. Zwischen den Stäben sah sie Baumstümpfe, die in Lianen gebunden herabbaumelten, aber daneben und darunter war reichlich Platz, daß diese dort Gefangenen hätten entkommen können.

Auch Xaniyamkixei, das konnte sie spüren, war sehr verwirrt über diesen Anblick. Beide rätselten sie, was denn hier los sei. Mit wachem Blick versuchten sie irgendeine Gefahr hier auszumachen, jedoch war nichts dabei, das eine Bedrohung zu sein schien. Jana war die erste, die sich ein Herz faßte und den Leuten zu Hilfe kommen wollte. Als sie knapp vor den Stäben stand, wurde klar, warum die Leute dort nicht herauskamen.

Plötzlich und unerwartet erwachte der "Baumstumpf" zum Leben, und dutzende Lianen versuchten Jana einzuwickeln. Nur mit viel Glück konnte sie sich aus dem eisernen Griff der Lianen wieder befreien. Arnesgar, wie der Dämon sich selbst nannte, versuchte nun seinerseits diese Pflanzenwesen zu vernichten, jedoch war er selbst Opfer eines hinterhältigen Griffes geworden, mit dem ihm diese Pflanze innerhalb von wenigen Augenblicken völlig einwickelte.

Doch damit war noch nicht genug, denn es kam nun Bewegung in allen einzelnen Pflanzen, die in ihrer Nähe hingen, auf. Doch noch während sie versuchten sich der Übergriffe durch die Pflanzen zu erwehren, flog ein großes Netz von oben auf sie herab, und fing mehrere ihrer Freunde. Maraka hatte das Netz nur aus dem Augenwinkel heraus herankommen sehen, und hielt sich etwas auf Distanz, um im nötigen Augenblick einzugreifen, wenn sie sehe, woher das Netz geworfen wurde.

Und es wurde tatsächlich ein zweites Netz geschleudert. Von der Mitte der riesigen Kno-chenplatte mußte dieses wohl über ein Katapult oder ähnliches geschleudert worden sein. Maraka ließ - ohne Rücksicht auf die Gefangenen – einen Teil der Platte detonieren und riß ein Loch von fast zwei Schritt im Durchmesser in die Platte. Mit einern lauten, berstenden Geräusch brach das Katapult durch die entstandene Öffnung und begrub einen der Gefangenen völlig unter sich.

In diesem Moment wollten auch acht humanoide Wesen von der Platte herunterklettern, doch Jana beschwor einen Ball gleißenden Feuers auf der Fläche, und es fielen brennende Körper herab, so daß sie nicht einmal mehr in der Lage waren, diese irgendeiner Spezies zuzuordnen.

Beißend wurde der Gestank von den verkohlenden Körpern. und während ein Teil immer noch damit kämpfte aus dem Netz freizukommen, schwoll ein mächtiges Stöhnen herauf und ein großer Pulk "Gefangener" stürmte auf sie zu Jana zauberte ihrerseits eilig ein Netz, so daß sie zumindest teilweise aufgehalten wurden, jedoch warein es so viele, daß sie ihrer kaum noch Herr wurden.

Von allen Seiten schwappten diese gräßlichen Leiber auf sie zu, versuchten sie zu schlagen, zu beißen, zu kratzen und mit ihrer Masse zu erdrücken. Maraka hatte bereits ihre letzten effektiven Zauber benutzt, als langsam die Menge ins stocken kam. Tasha hatte das Kurzschwert der Dreifaltigkeit gezogen und kämpfte mit ihrem Katana in der einen Hand und dem Kurzschwert in der anderen an drei verschiedenen Stellen gleichzeitig. Wie ein Derwisch wütete sie unter den Leuten, und viel zu spät wurde ihr bewußt, daß nur die Hälfte der Personen dort Zombies waren.

Und so hatten sie über zehn unschuldigen Lehen vorzeitig beendet, statt sie zu retten. Doch auch ihr Tribut war nicht klein. Rudger hatte es erwischt. Mit völlig aufgerissenem Brustkorb lag er da und rührte sich nicht mehr. Entsetzt eilten Warakas und sie zu ihm, und versuchten alles erdenkliche, um ihm noch zu helfen.

In ihrer Verzweifelung versuchten sie sogar, ihm die Wunde zu vernähen und frisches Blut zuzuführen, doch alles war nur blinde Mühe, die aus Unglaube heraus durchgeführt wurde. Sie konnten es einfach nicht begreifen, daß sie hier jemanden verloren hatten.

Sie entschlossen sich, seinen Leib zu verbrennen, damit er nicht selbst plötzlich als Un-toter wieder auferstehen würde. Das hatte er wirklich nicht verdient. Die anderen lutten bereits die Leiber der anderen Toten zusammengepfercht und l-falz aus der Nähe hinzu-geschichtet, um diese ebenfalls dem Feuer zu übergeben.

Sie selbst wollten nach dieser schweren Schlacht erst einmal Ruhe einkehren lassen. Janas Haus erwies sich hierfür als ungeahnt nützlich. Hatte Maraka bisher immer nur davon gehört, daß Jana Dinge in "ihr Haus" bringt, so sah sie diese ätherische Einheit nun zum ersten Mal von innen!

Ihr Mentor hatte ihr diese Behausunh wohl nach eigenem Willen und Vorstellungen in der ätherischen Ebene, wie sie sagte, einrichten lassen. Und es fehlte dort an keinen Annehmlichkeiten, die man auch sonst in ungewachsenen Häusern finden konnte. Na, nicht ganz. Richtige Fenster waren keine zu sehen, aber dafür gab es sogar einen kleinen Garten und... Maraka wollte ihren Augen nicht trauen! Eine Badewanne! Man konnte hier ein heißes Bad nehmen!

Sie genoß diesen Luxus in vollen Zügen, bevor sie zu Xaniyamkixei auf's gemeinsame Zimmer ging. Jana hatte wohl schon deutlich erkannt, was zwischen den beiden war, und so gab sie ihnen eines der Zimmer, die mit nur zwei Betten hestückt waren.

Doch Maraka war entsetzt über die Reaktion von Warakas, als Jana ihn auf ihr Zimmer mit einquartieren wollte. Plötzlich spielte er den Aufgekratzen und wollte partout nicht mit ihr beisammen liegen. Er war sogar so unverschämt, daß er zu Jana sagte, er würde demnächst Geld für seine Liebesdienste haben und sich nicht länger ausnutzen lassen wollen. Völlig unverständig zog sich Maraka zurück, denn das ging sie nun wirklich nicht noch mehr an. Aber ein Gefühl der Verachtung blieb in ihr zurück. Wenn sich die Gelegenheit am morgigen Tag ergeben sollte, so wollte sie mit Warakas mal sprechen. Es war nun wirklich nicht die nette Art von ihm, daß er Janas Situation und Trauer über Cassis Tod ausnutzte und sie dann, wenn er keine Lust mehr auf sie hatte, den Schwanz einzieht. Etwas mehr Verantwortung sollte er doch nun schon zeigen.

Mit diesem Groll im Bauch schlief sie an der Seite ihres dunklen Freundes ein, jedoch war er bei der nächsten Meditation schon wieder einigerrmaßen verflogen.

Nach der Meditation rang sie mit sich selbst. Hier oben war alles so herrlich ruhig und abgeschirmt von diesen bösartigen Gedanken, die dort unten herrscten. Mit schräg ge-haltenern Kopf betrachtete sie Xaniyamkixei. Er lag so ruhig und friedlich da. Vorsichtiq berührte sie ihn an der Schulter. Traumlos war sein Schlaf. Glück erfüllte. ihre Brust.

Sie nahm sich vor, daß sie ihm ein hesonderes Geschenk machen wollte. Es gab einen Zauber, den sie von ihrem Gott erneten konnte, der ihre Gedanken rein von den Eskapaden ihrer Vergangenheit machen würde. Sie könnte ihre Erinnerung an das gemeinsame Erlebnis mit Lothar ausihrem Gedaächtnis streichen, ja selbst ihre Jungfräulichkeit könnte sie mit Kairans Hilfe wiedererlangen. Xaniyamkixei könnte ihr erstes Erlebnis sein, wenn sie diesen Schritt wagte...

Sie zögerte,

Dann begann sie zu beten. Sie wollle den Zauber des Vergessens von Kairand erhalten. In anstrengender Meditation ließ sie anschließend ihren Körper sich erneuern, und mit klopfendem Herzen begann sie die Formeln des Zaubers zwischen ihren Lippen zu formen. Immer aufgeregter wurde sie, denn sie wußte, daß ihr eigener Verstand übertölpelt werden sollte. Niemals hätte jemand anders ihr einen Gedanken aus dem Gedächtnis tilgen können, doch sie selbst war es, die es durchführen wollle. Sie wollte vergessen was damals geschehen war. Einige Minuten später war das damaligeEreignis am See nur noch vage als harmloses Wettschwimmen in ihren Gedanken verankert. Nie würde Xaniyamkixei erfahren, daß er reicht ihr erster Mann gewesen war. Und auch sie selbst würde es nicht mehr wissen. Sie fühlte sich unbefleckt und rein in ihrem Innersten. Selbst an den Zauber konnte sie sich nicht mehr nachträglich erinnern. Sie wußte nur, daß sie wohl eingedöst sein mußte, als sie ihren Geliebten betrachtet hatte.

Wie gern hätte sie sich ihm nun hingegeben, doch sie hatte Angst. Sie hatte Angst vor dem, was sie erwarten würde, wenn sie sich zum ersten Mal einern Mann hingab. Vielleicht würde die Zeit eine Antwort bringen. Leise kuschelte sie sich bei ihm unter und schlief unruhig ein.

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Der nächste Tag begann besser als der vorherige. Die drückenden Gedanken dieser fremden Welt waren hier weniger als ein winziges Raunen hinter Bollwerken aus meter-dickem Gestein. Doch leider mußtensie wieder in diese ungastliche Welt. Xeniyamkixei war bereits auf und warf ihr ein morgenmüdes Lächeln entgegen, daß sie erwiderte. Auch er spürte, daß der Druck jener finsteren Gedanken hier nicht auf ihnen lastete. Diesen Moment auskostend ließ sie sah Zeit mit dem Aufstehen, doch es half alles nichts.

Nachdem sie sich gewaschen und frische Kleider übergeworfen hatte, verließ sie zusammen mit ihrem Zukünftigen das Zimmer, daß ihnen Jana überlassen hatte und mußte feststellen, daß sie noch die ersten waren, die den nahenden Tag begrüßten. Es dauerte nicht lange, bis sie Janas Vorräte in diesem Haus entdeckte und sich daran machen konnte, das Frühstück vorzubereiten. Heute fühlte sie sich glücklkh. weil diese mentale Last nicht so massiv zu fühlen war.

Leise summte sie eine der alten Melodien, während sie einen Teig knetete. Seit Tagen mal wieder ein frisches dampfendes Brot. Vorfreudlg lief ihr das Wasser im Munde zusammen, während sie daran dachte, und noch während der Laib in dem glühenden Feuer backte, suchte sie weitere Sachen zusammen, die als Belag taugten. Langsam, durch den Duft des frischen Brots angelockt, krochen auch ihre Freunde airs Ihren Betten, und es wurde ein gemütlicher Morgen, den sie allerdings nicht zu lange genossen, weil sie dort draußen auch möglichst schnell fertig werden wollten.

Frisch gestärkt betraten sie die feindliche Welt, und die giftigen Gedanken sprangen wieder in ihr Bewußtsein. Am liebsten wäre sie gleich wieder umgekehrt und in Janas Haus zurückgeblieben, doch sie wußte, daß Kairans Beistand von den anderen gebraucht wurde, auch wenn sie dies vehement zu ignorieren versuchten.

Sie wollten heute in die Schlucht gehen, wo sie die uralte Eiche gesehen hatten, denn dahinter führte ein weiterer Durchgang in eine andere Schlucht. Vielleicht würden sie dort fündig auf ihrer Suche nach der "Krone der Soldaten", die sie Akriel wiederzubeschaffen versprochen hatten.

Kaum, daß sie die Schlucht betreten hatten, meinte Karidis unhedingt auf die Eiche klettern zu wollen, um ein paar Eicheln zu sammeln. Jana indes wollte ein paar Blätter zupfen, weil sie die wohl für Irgendwas brauchte. Maraka hatte sie nie danach gefragt, was sie denn damit eigentlich wollte, denn im nächsten Moment war der Baum urplötzlichzum Leben erwacht und hatte bereits eine Wurzel um Janas Knöchel geschlungen. Scheinbar mühelos hob er sie an und führte sie in einer langsamen, aber erschreckend zielstrebigen Bewegung zu dem Schlund, der sich in seiner Mitte geöffnet hatte. Jana reagierte sofort und versuchte die Ebene zu wechseln. Ihr Glück schien wiedergekehrt zu sein, denn sie war schnell genug verschwunden, bevor er sie zwischen seinen hölzernen Kiefern zermalmen konnte.

Dennoch hockte Karidis noch auf dem Baum und war wohl sehr unschlüssig, ob er runterspringen oder oben ausharren sollte. Er entschloß sich, die Flucht zu ergreifen, Jedoch nicht ohne dabei elegant aussehen zu wollen. Wir.so sollte man auch seine Angst durch eine hastige Flucht ausdrücken? Er nahm Anlauf, um sich von dem Ast zu einer Flugrolle abzufedern und verhakte sich Jämmerlich, so daß er mit dem Kopf hart aufschlug und hektische Lichtblitze vor seinen Augen tanzten. Erst als diese wieder weg und die Welt festgerückt waren, wurde ihm gewahr, daß die Wurzeln sich durch den sandigen Boden schon extrem genähert hatten. Hastig sprang er auf und entferrnte sich hakenschlagend von dem Baum.

Jana wollte diesem Baum nun ein Ende setzen und plazierte einen Feuerball in das Zentrum seinerKrone, der nur von einer prächtigen Regenbogen quittiert wurde. Feuer schien diesem Baum nichts auszumachen, aber Maraka konnte nicht glauben. daß eine echteBe-drohung von ihm ausgeht. Sie versuchte mit ihrem Geist nach dem des Baumes zu tasten und hatte Erfolg. Er besaß einen geringen Verstand, der greifbar war und nur ein Ziel hatte: dienen und bewachen.

Wortreich überredete sie mit Xaniyemkixeis Hilfe, der diese Gedanken mit ihr zusammen aufgefangen hatte, ihre Freunde, diesen Baum in Ruhe zu lassen. Und tatsächlich. Als sie den Baum nicht mehr angriffen, blieb auch er friedlich. In einem großen Bogen umrundeten sie den Stamm und betraten die Schlucht dahinter.

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Der Anblick enttäuschte Maraka etwas. Es war einfach nur eine Schlucht mit rotem Lehmboden, In der nichts besonderes zu erkennen war, Wahrscheinlich blieb ihnen nur noch der Weg in die eine Schlucht, in die sie bisher noch keinen Blick geworfen hatten.

Ebenso vorsichtig umrundeten sie wieder den Stamm, und warfen einen Blick in die nächste Schlucht. Das Zentrum war geziert von einer Pyramide. Erschreckendwar die Menge der mit Speeren bewaffneten Skelette, die auf den Stufen plaziert waren. Es waren über zwanzig, die dort auf den Steinblöcken standen, und thronend über diesen war noch eine Rabenstatue, die sich wie von Geisterhand drehen konnte. Durch diese Bewegung starrten die in einem rötlichen Licht flackernden Augen immer in Richtung der größeren Gruppe. Schwachen Geistern würde so eine Erscheinung bestimmt Angst einjagen, dachte Maraka so bei sich, und merkte, daß Xaniyamkixei bei dem Anblick wohl schon eine gewisses Unwohlsein empfand. Beruhigend legte sie ihre Hand auf die seine, und seine Befürchtungen wichen langsam, beinahe widerwillig, aus seinem Geist.

Nachdem sie die Schlucht mit der Pyramide durchquert hatten, schaute sich Maraka noch einmal um, jedoch gab es kein Anzeichen dafür, daß sich bei den Skeletten etwas getan hätte, also richtete sie ihr Augenmerk auf die vor ihr liegende Situation, die an sich ebenfalls sehr bizarr wirkte.

In der Mitte der Schlucht waren 4 Holzpfähle tief in den Boden gerammt worden, und dazwischen war ein Skelett über dem Boden an seinen Gliedmaßen gefesselt aufgespannt worden. Seiner Größe nach zu urteilen war dies ein durchschnittlicher Hochgewachsener. Jana sagte sofort: "Geht bloß nicht zu nahe ran!", und alle hielten sich daran, Jedoch nicht ohne wenigstens einmal aus einem Schritt Entfernung dieses Skelett zu betrachten, dessen Gliedmaßen eigentlich unter dieser Belastung hätten zerreißen müssen.

Jana äußerte die Befürchtung, daß in diesem Tal vielleicht eine Magie herrschte, die Lebewesen austrocknen lieB, weil auch der Lehmboden ähnlich einem Salzsee aufgebrochen aussah. Sie einigten sich darauf, besonderes Augenmerk darauf zu richten, jedoch schien Maraka es so, als hätten die anderen dies nach ein paar Minuten schon wieder vergessen.

Sie waren so sehr von den zwei Felsspalten fasziniert, die sich in den Felsen zeigten. Von beiden aus ging ein Weg ins Innere des Bergmassivs, und man entschloB sich die Spalte zur Linken zuerst näher unter die Lippe zu nehmen.

Diesmal war es Arnesgar, der die Initiative ergriff und in die dunkle Höhle mit einem kleinen - wohl magischem - Licht voranschritt. Maraka war dieses winzige Glimmen einfach zu wenig und holte die von Jana verzauberte Lampe hervor, die den gesamten Raum in taghelles Licht tauchte. Fahle Schatten fielen von den rauen Felswänden, und jede Bewegung spielte neue Muster auf Boden, Decke und Wänden wieder.

Diese Felsspalte reichte nur etwa zehn Schritt tief in den Fels, wobei in dem Boden noch eine gemein angelegte Felsspalte zu entdecken wahr, die man bei einer gewissen Unachtsamkeit gewiß übersehen hätte. Direkt hinter diesem gespaltenen Bereich befand sich eine finstere Statue. Sie stellte eine uralte Frau dar, die in der einn Hand einen knorrigen Stock und in der anderen einen Totenschädel trug, aus dessen Augen es seltsam schimmerte.

Diese Figur sah genau so aus, wie alte Mären böse Hexen beschrieben, jedoch wollten sie sich nicht sofort mit diesem Bildnis befassen, doch Jana behielt es sich vor, diese Götze später noch zerschmettern zu wollen.

Erst einmal wollten sie doch den Gang zu ihrer 1inken untersuchen, der weit über Marakas Kopf begann. Die Hochgewachsenen konnten problemlos hineinsehen, jedoch mußte sie sich von Xaniyamkixei dabei helfen lassen dort hochzukommen. Wie gern wäre sie so gro8 wie er, oder zumindest wie eine der normalen Fraun aus den Reihen der Hochgewachsenen. Schmerzlich wurde ihr bewußt, daß außerhalb ihres Landes eine andere Welt war, in der sie nur wie ein Kind aussah. Außerdem hatten sie die Jahre in Immergrün auch weniger altern lassen, was ihr Aussehen noch kindlichrr erscheinen ließ.

Sie wußte zwar, daß Xaniyamkixei sie nicht als Kind, sondern als Frau sah, aber dennoch nagte dieses Gefühl der Andersartigkeit schleichend in ihrem sonst so perfekt ausgeglichenem Inneren, daß sie vieles dafür gegeben hätte, noch weiter wachsen zu können. Und dennoch war da ein Zwiespalt in ihrem Inneren vorhanden, daß sie eines Tages vielleicht wieder ihre Familie sehen würde, und dann wäre sie dort anders. Ihre Gedanken schweiften noch ein paar mal um dieses Traumgebilde, wie auch um das, wie es wäre. wenn aus ihm ein Gelfling würde, aber solche Träume würden allemal unerfüllt bleiben, das wußte sie.

So in Gedanken verloren hatte sie bereits den Kriechgang, in den sie hinaufgehoben worden war, hinter sich gelassen und war mit den anderen in einer Höhle angekommen, die doch ein paar Besonderheiten aufzuweisen hatte. Zum einen war da dieser Knochen, der aus der Wand ragte, und wie ein Hebel aussah, wie auch die beiden riesigen Knochen, die über einen mit brodelnden Nebeln gefüllten Abgrund reichten, Über diese beiden Knochen müßte man gehen oder kriechen, wenn man zu der Öffnung auf der Linken gelangen wollte.

Warakas war der erste, der sich ein Herz faßte, und mit Sorgfalt über den Knochen robbte, um zu dem Felsvorsprung auf der gegenüberliegenden Seite zu kommen, Als er dort ankam sah er recht bleich aus, denn er schien etwas gesehen zu haben, was ihn sehr erschreckt hatte. Doch in diesem Moment kam er nicht dazu, den anderen seine Erkenntnis mitzuteilen, denn den Boden bebte, und das Geräusch von herabstürzenden Massen beherrschte das Bild. Unglaubliche Mengen feinsten Sandes verschleierten das Blickfeld, und Maraka zauberte beherzt einen Unauffälligen Diener, der schnell wieder Klarheit bringen sollte. Nun Ja, ein bißchen unangenehm war es schon, als er den Staub nochmals aufwir-belte, aber sie hatte relativ schnell wieder freie Sicht, und nach kurzer Seit konnten sie sich auf ihrer Seite bereits wieder gegenseitig sehen.

Doch das Schlimmste, was sie ebenfalls sehen konnte, war der von Tonnen Sand verschüttete Kriechgang. Nach einer kurzen Diskussion kamen sie darin überein, daß es wohl am sinnvollsten ist, in der anderen Richtung nach einem Ausgang zu suchen.

Also kletterte Warakas, kaum daß sich der Staub komplett verzogen hatte, weiter bis zu dem zweiten Gang, und Maraka machte sich daran, ebenfalls zur anderen Seite zu gelangen.

Als sie mittig auf der ersten Knochenbrücke war, wußte sie. warum er so bleich geworden war. Aus dem Nebel, der 5-8 m unter ihr brodelte formte sich die halbverweste Gestalt Rudgers, die aussah, als ob sie sie in die Tiefe reißen wollte. Aber solche Trugbilder sollten sie nicht abschrecken, konnte es doch nicht sein, daß er hier gefangen wäre, wo sie doch oben seinen Körper dem Feuer übergeben hatten. Also störte sie sich nicht weiter daran und kroch auch noch über die zweite Brücke, wo sie dann einen furchtbaren Schrei hörte.

Arnesgar war wohl von diesem Nebelgebilde dermaßen erschreckt worden, daß er in die Tiefe stürzte und auf einem laut scheppernden Haufen Knochen landete. Es dauerte einige Zeit, bis sie eine Rettungsaktion durchgeführt hatten, wobei eine gewisse Unkooperativität seinerseits das Ganze auch noch gehemmt hatte. Aber sie konnte ihm dies nicht verübeln, hatte er doch eine tiefe Fleischwunde erlitten, in der noch der Rest eines Knochen steckte.

Sie assistierte Warakas bei der Entfernung dieses lästigen und schmerzhaften Gegenstands, wobei Arnesgar das recht gut wegsteckte. Jedoch machten sie seine Kommentare wie "primitve Rasse" doch recht hellhörig. Scheinbar stand eine mächtige Kultur hinter dem Mythos der Dämonen aus den Tiefen. Vielleicht sollte man sich damit doch noch etwas näher befassen. Hatte er nicht sogar mal etwas davon erzählt, daß seine Kultur tief unter dem Meer der drei Kontinente, dem Trikanismai lag? Es war ein unbedarfter Satz, aber er hatte sich tief in ihr Gedächtnis gegraben.

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Nachdem sie Arnesgars Wunden wieder zusammengeflickt hatten, beschlossen sie den Abstieg zu unternehmen, denn wer sich solche Mühe gibt, einen Gang unentdeckt zu machen, mußte dort etwas zu verstecken haben. Allerdings stellten sich Tashamara, Karidis und Wotan ganz schön an, was dieses Schreckgespenst anging. Jana wollte auchnoch einen Moment oben warten, also ging nur ein Teil von ihnen hinab in den Nebel.

"Hüte Dich von dem Nebel!"

Sie schüttelte den Gedanken ab, während sie mit ausgebreiteten Flügeln sanft in die tin-tenblaue Masse sank. Den Durchgang fanden sie recht schnell wieder, und nachdem sie den Gang betreten hatten, hörte auch der Nebel recht schnell auf. Es war so, als sei er an diesem Schacht dort gebunden gewesen. Hier lag nur noch eine dünne Schicht auf dem Boden, die ihr gerade mal bis zu den Waden reichte. Außerdem roch es leicht nach Zitrone. Jedoch war dieser Geruch so fein, daß sie schon bald nicht mehr daran dachte.

Arnesgar halte diesmal die Führung übernommen, und sie kamen durch einen Gang, mit einem Abzweig, den sie jedoch erst einmal links liegen ließen. Erst jetzt begannen sie eine kleine Zeichnung der Höhle anzufertigen, damit sie sich nicht verirrten. Das Seil, daß sie oben an der Knochenbrücke angeschlagen hatten, war an der nächsten Abbiegung ebenfalls an seinem Ende angelangt, und so blieb ihnen nur noch ihr Blatt. Maraka hoffte, daß sie nicht auf ein allzu komplexes Höhlensystem gestoßen waren.

Unerwähnenswert war eigentlich ein Gang, der in einer Runde neben dem Hauptgang lief. Entscheidend schien da schon eher die Kreuzung, an die sie kamen. Sie bestand aus einer Höhle, die 5-6 m in die Höhe reichte, wobei zwei riesige Rippen den ebenfalls 5-8 m durchmessenden Abgrund überspannten. In die Tiefe hörte die Sicht nach 4-5 m in einer nebeligen Masse auf. Warakas wollte testen, wie tief es wohl hinabreicht, und warf einen Stein hinab.

Lange lauschten sie, hörten aber keinen Aufschlag.

Etwa 3-4 m über ihnen war ein kompletter Umgang, auf dem 24 Skelette standen, die allesamt mit einer Kette am Fuß befestigt waren und einen Speer in der Hand hielten. Jede Kette war an einem komplizierten Metallgebilde in der Mitte der Decke befestigt. Maraka dachte gerade den Gedanken, daß die Skelette wohl kopfüber schwingend arglose Über-querer der Brücke angreifen könnten, als Arnesgar beherzt auf die Rippe gekrochen war.

Nun ging alles sehr schnell.

Wie auf Kommando rasselten die Ketten, die Skelette sprangen fast gleichzeitig von ihrem Sims ab und schwangen bis zum gegenüberliegenden Sims durch. Auf dem Weg dorthin griffen sie Arnesger mit ihren Speeren an und versuchten ihn von der oberen Rippe zu stoßen. Nur mit Mühe - und aus vielen kleinen Wunden blutend - schaffte er es, sich während des Sturzes auf der nach unten gespannten Querrippe aufzufangen.

Warakas eilte los, um die anderen zu holen, doch bis er mit Jana zurückkam, war Arnesgar schon in den linken und anschließend in den rechten Gang getreten. Er rief noch "Wartet hier, ich gucke mal, ob ich von woanders in den Gang dort obenkomme" und war dann in dem rechten Gang verschwunden.

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Fast eine Stunde warteten sie, und als sie immer noch kein Lebenszeichen von ihm hörten, machten sie sich daran, einen Rettungsplan auszuarbeiten. Erst einmal müßten die Skelette dort oben weg.

Im gleichen Moment, wie Maraka den Gedanken hatte, dort oben das Metallkonstrukt zu sprengen, wurde ihr dies auch vorgeschlagen. Sie hörte noch, wie sie gerade darüber diskutieren wollten, als sie bereits den besten Punkt für die Vernichtung gesichtet hatte.

Mit gewaltigem Getöse zersprang die Halterung und löste sich in Myriaden von Metallsplittern auf. Die Ketten fielen nach unten und rissen durch ihr Gewicht zwei der Skelette nach unten.

Warakes sammelte seinen Mut und beschritt nun die nach oben gebogene Rippe, um die Skelette zum Sprung zu ermutigen. Er hoffte inständig, daß sie nicht die Sprungkraft besaßen, um bis zu ihm zu kommen.

Und er hatte Glück!

Nur eines der Skelette hatte seinen Speer weil genug in seine Richtung gestoßen, um ihn überhaupt zu verletzen. Mit lauten Gerappel fielen sie hinuntern, und man konnte sehr schnell ziemlich lautes Gerappel hören.

Erst einmal wollten sie durch den eng auf der gegenüberliegenden Seite treten, um nach Arnesger zu suchen. Allerdings kamen sie nach kurzem schon in einen Raum dessen Mitte wie ein natürliches Schwimmbecken - gefüllt ,mitdichtesten Nebel - anmutete. Um dieses Becken begann rechts ein Umgang, der 3/4 des Raumes umspann. Sowohl auf der rechten, als auch auf der linken Wand sahen sie je eine Metalltür. Alten Erfahrungen folgend wollten Jana und Warakas nun doch lieber den Abstieg auf der Rippenkreuzung durchziehen.

Warakas bediente sich Marakas Seil, um die obere mit der unteren Brücke zu verknüpfen, doch als sie hinabklettern sollte, brachen die alten Erinnerungen über sie herein.

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Sie sah sich wieder in ihrer Kindheit in diesem Brunnenschacht. Damals, als sie Stunden (oder waren es Tage? Wochen? Monate?) dort gefangen gewesen war, unfähig sich zu bewegen geschweige denn die steilen Wände allein zu erklimmen. Sie mußte an den Stein denken, von dem sie nie den Aufschlag gehört hatten. Diese Kreuzung hier war wie der Brunnenschacht, in den sie gefallen war. Es wäre nicht genug Platz, um mit Ihren Flügeln den Aufstieg zu schaffen, redete sie sich ein. Vor Ihren Augen schien der Schacht immer tiefer und schmaler zu werden. Der Geruch muffigen alten Wassers konnte sie riechen. Der metallene Geschmack der abgestandenen Luft lag in ihrem Mund.

Mit einem Mal wurden diese Gedanken umspült von Wärme, Irritation und Besorgnis. Sie fühlte die rettende Hand, die sie aus der Tiefe hervorzog und sah ihren hochgewachsenen Freund vor sich. Sie waren wieder in der geräumigen Höhle. und die Lieft schmeckte nicht mehr abgestanden.

Leise seufzend drückte sie sich an Xaniyamkixei und gab ihm einen flüchtigen Kuß, weil er sie aus den Tiefen ihrer Ängste herausgezogen hatte.

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Sie machten sich daran, in den Gang zu wandern, in dem sie Arnesgar hatten verschwinden sehen. Maraka war froh über den Mann an ihrer Seite, und sie spürte seine ehrliche Liebe und Zuneigung, aber auch die Wachsamkeit gegenüher den Dingen, die sie hier unten erwarten würden. Sie klärte ihren Geist und konzentrierte sich ebenfalls auf die Suche nach Arnesgar.

Nach ein paar Sackgassen stießen sie nun auf einen Gang, in dem der Nebel weniger wurde, denn in der Mitte befand sich in Bodenhöhe ein Loch in der linken Wand, so daß der Nebel dort wie Wasser abfloß. Weiter vor entdeckten sie einen Steinhaufen inmitten einer kleinen runden Höhle. Sie wurdenalle für einen Moment bleich vor Schreck, nahmen sie doch an, er würde hier zerschmettert unter den Steinen wiederzufinden sein.

Hastig gruben sie die Steine beiseite, und entdeckten dabei jedoch nur einen Stein, der ein Edelstein - vielleicht sogar ein Rohdiamant? - sein könnte. Wenn dies so war, dann war er mit Sicherheit verdammt wertvoll!

Nun wollten sie sich der Reöhre zuwenden, durch die der Nebel abfloß. Ein öliger Geruch lag in der Luft, aber Warakas wollte den Abstieg trotzdem probieren. Er krabbelte in die Röhre und mit einem überraschten Aufschrei fuchtelte er mit den Händen und fing sich im letzten Moment noch an dem Rand der Röhre ab. Gemeinsam zogen sie ihn aus der mißlichen Lage, doch er wollte es unbedingt noch einmal probieren.

Er sagte, er könne das schon, und Maraka konnte beobachten, wie seine Füße plötzlich aufhörten den Boden zu berühren. Behutsam glitt er wieder in die Röhre hinein, und berichtete anschließend, was er dort unten vorgefunden hatte.

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Arnesgar war von 6 Skeletten mit zweihändigem Schwert angegriffen und zu Boden gestreckt worden, während er versucht hatte, durch die Röhre wieder nach oben zu flüchten. denn er hatte nicht das Glück, sich noch am Rande festhalten zu könenn.

Warakas hatte ihn so niedergestreckt am Boden gefunden, und das Fischgesicht hatte wohl noch so viel Glück gehabt, daß sie ihn nur bis zur Bewußtlosigkeit verletzt hatten, ansonsten wäre er schon längst nicht mehr unter ihnen.

Bei seinem Versuch ihn zu retten, waren diese Skelette erneut zum Leben erwacht, aber Warakes war schnell genug und hatte seine Entscheidung ihn die Röhre hinaufzuzerren blitzschnell getroffen und durchgezogen.

Das letzte Stück mußten sie sich dann mit einem Seilersatz, den Jana zauberte, zufriedengeben. Sie hatten ihre Seile nämlichschon komplett für die anderen zwei Stellen verbraucht, aber konnten sie erst einmal nicht entbehren, weil siefür den Rückweg noch gebraucht wurden.

Nun nahmen sie sich noch einmal die Zeit, ihre Kräfte ein wenig aufzufrischen, damit sie auch auf die nächsten Gefahren ordentlich antworten konnten.

Maraka mußte in diesem Mament wieder an die drei oben gebliebenen denken. Sie hätte einen Zauber, mit denen sie alle dazu bringen könnte, ihnen nach hier unten zu folgen. aber wahrscheinlich wären sie nicht sonderlich begeistert, wenn sie einen Befehl auf sie wirken würde. Sie schaute Xaniyamkixei fragend und mit einer flüchtigen Berührungan, und er verstand, womit sich ihr Geist gerade beschäftigte.

(Reaktion von Xaniyamkixei wird erbeten...)


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top   03.04.1998 by Zuul